Interview mit Sabine Hockling: „Problematisch wird es arbeitsrechtlich, wenn die Begriffe Homeoffice, Heimarbeit, Telearbeit und mobile Arbeit synonym verwendet werden“
Entgegen der weitläufigen Meinung, dass das deutsche Arbeitsrecht nicht für das zeitliche und ortsunabhängige Arbeiten ausgelegt ist und reformiert werden muss, zeigt Sabine Hockling in „Überall, nur nicht im Büro“, dass eine arbeitsrechtliche Umsetzung unkompliziert möglich ist. Im Interview erklärt die Wirtschaftsjournalistin und Sachbuchautorin, worauf Arbeitgeber und Beschäftigte achten müssen und wie eine rechtssichere Umsetzung aussehen kann.
Workation, Homeoffice und Co-Working – zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten bleiben uns weiterhin erhalten. Es gibt immer wieder Bedenken, dass das deutsche Arbeitsrecht darauf nicht ausgelegt ist. In Ihrem neuen Buch widersprechen Sie, gemeinsam mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht Sebastian Müller, dieser These. Mit welcher Begründung?
Ganz einfach: Das deutsche Arbeitsrecht bietet Unternehmen die nötigen Instrumente für eine rechtssichere Umsetzung von ortsunabhängigen Arbeitsformen. Problematisch wird es nur, wenn die Begriffe Homeoffice, Heimarbeit, Telearbeit und mobile Arbeit synonym verwendet werden. Denn das ist falsch und wird bei Fragen rund um die Sicherheit und die Haftung wichtig. Daher sind Unternehmen gut beraten, wenn sie bei der schriftlichen Vereinbarung über den Tätigkeitsort darauf achten, welche Bezeichnung sie in der Vereinbarung wählen.
Bleiben wir zunächst beim „klassischen“ Homeoffice: In welche arbeitsrechtlichen Fallen können Arbeitgeber und Arbeitnehmer schnell tappen?
Für die Tätigkeit aus den eigenen vier Wänden verwenden viele die Bezeichnung „Homeoffice“. Das aber ist aus arbeitsrechtlicher Perspektive missverständlich, denn der Begriff ist nicht im Gesetz definiert. Und weil er umgangssprachlich geprägt ist, versteht letztlich jeder etwas anderes darunter. Rechtlich sicher ist der Begriff „Telearbeitsplatz“, da dieser im Gesetz – genauer in der Arbeitsstättenverordnung – verankert ist.
Damit es zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten gar nicht erst zu Missverständnissen kommt, sollten die Bedingungen für die Arbeit aus den eigenen vier Wänden vorab schriftlich festgehalten werden: An wie vielen Tagen der Woche wird von zu Hause aus gearbeitet? Wie ist der Telearbeitsplatz ausgestattet? Wie müssen Arbeitsmittel verwahrt werden, wenn sie nicht in Gebrauch sind? Wie werden die Kosten erfasst und wer trägt welche? Ist eine private Nutzung des Telearbeitsplatzes erlaubt? Dürfen Arbeitsmittel auch außerhalb der eigenen vier Wände genutzt werden? Wie ist das Zutrittsrecht des Arbeitgebers geregelt? Wie ist die Haftung geregelt? Wie werden der Datenschutz und die Datensicherheit gewährleistet? Ferner sollte schriftlich festgehalten werden, wer das Gehaltsrisiko trägt und wie die Rückkehrregelung gestaltet ist, wenn die Arbeit aufgrund technischer Defekte oder Netz-Störungen nicht mehr möglich ist.
Was ist zu beachten, wenn Angestellte nicht nur im Homeoffice, sondern auch im Ausland arbeiten wollen? Worum müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer kümmern?
Sind Beschäftigte für ihren in Deutschland ansässigen Arbeitgeber aus dem Ausland tätig, kann das Arbeitsrecht des Gastlandes Anwendung finden oder das deutsche. Vor dem Schritt ins Ausland sollte daher als erstes geklärt werden, welches Recht Anwendung findet. Fehlt eine solche Regelung, kommt es nach § 8 Absatz II Rom-I-VO 593/2008 auf den gewöhnlichen Arbeitsort an. Dann ist also entscheidend, an welchem Ort sich das Homeoffice befindet und ob es sich dabei um den gewöhnlichen Tätigkeitsort handelt.
Erbringt der Beschäftigte seine Arbeitsleistung länger als vier Wochen außerhalb Deutschlands müssen nach § 2 Absatz 2 Nachweisgesetz die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit, die Gehaltsabrechnung und Vergütung sowie die Bedingungen der Rückkehr festgelegt werden.
Die Regeln werden häufig eh von Gesetzgeber und Arbeitgeber bestimmt, Ihr Buch richtet sich aber explizit auch an Angestellte. Warum ist es wichtig, dass auch sie sich über das Arbeitsrecht für ortsabhängige Arbeitsformen informieren? Und wieviel Einfluss können sie tatsächlich nehmen?
Einerseits können Beschäftigte nur selbstbestimmt Entscheidungen treffen, wenn sie auch umfassend informiert sind. Dabei ist es nicht nur wichtig, über seine Rechte Bescheid zu wissen, sondern auch, seine Pflichten zu kennen. Andererseits haben Arbeitgeber nicht immer die richtigen Informationen. Sind sie zudem nicht von ortsunabhängigen Arbeitsformen überzeugt, werden sie ihre Beschäftigten in der Regel nicht über die Möglichkeiten informieren, die sie eigentlich haben.
Was sollten Arbeitgeber und Angestellte unbedingt unabhängig vom bestehenden Recht, individuell regeln und in welcher Form?
Viele Arbeitgeber befürchten bei Mitarbeitenden, die im Homeoffice oder mobil arbeiten: aus den Augen, aus dem Sinn. Sinnvoll kann für diese Arbeitgeber sein, wenn sie Erreichbarkeits- und Arbeitszeiten sowie Bearbeitungsfristen für Aufgaben definieren und schriftlich festhalten. So kann es gar nicht erst zu Missverständnissen kommen.
Buchtipp:
Überall, nur nicht im Büro
Arbeitsrechtliche Chancen und Grenzen ortsunabhängiger Arbeitsformen
Sabine Hockling
ISBN: 978-3910768017