
Audio schafft Nähe
Marc Saha ist Journalist aus Überzeugung und leidenschaftlicher Möglichmacher hinter starken Interviews. Bei The Pioneer leitet er die Interviewplanung im Podcastbereich – nach Stationen bei RTL, WDR, Deutschlandfunk und Deutsche Welle, wo er als Stimme, Kopf und Planer journalistische Inhalte mitgeprägt hat.
Was macht gute Kommunikation über Podcasts aus? Was sollte man beachten, wenn man mit Podcasts kommuniziert?
Ein Podcast ist im Prinzip das Geschwisterkind des Radios – ein reines Audioprodukt, aber eben nicht linear. Es läuft nicht live zu einem festen Zeitpunkt, sondern wird veröffentlicht, wenn es fertig ist, und ist dann jederzeit abrufbar. Das gibt uns als Redaktion ganz andere Möglichkeiten. Wir können uns meistens Zeit nehmen, ein Gespräch in Ruhe vorzubereiten, es sorgfältig zu führen und anschließend so aufzubereiten, dass es wirklich gut klingt. Fehler lassen sich herausschneiden, Übergänge besser gestalten, Geräusche und O-Töne gezielter einsetzen. Das kann fast schon hörspielartig werden – im positiven Sinne von Inszenierung.
Trotzdem bleibt Authentizität zentral. Es geht nicht darum, ein künstliches Gespräch zu erzeugen oder etwas zu glätten, bis es keinen Charakter mehr hat. Sondern darum, das Beste aus dem Gesagten herauszuholen. Wenn jemand sich mal verhaspelt oder neu ansetzt – das schneiden wir natürlich. Aber die echte Stimme, das echte Gespräch, das soll bleiben. Genau das ist ja die Stärke des Formats: Man hat die Chance, mit viel Liebe zum Detail ein stimmiges Hörerlebnis zu schaffen – ohne dass es gestellt wirkt.
Wofür eignet sich das Medium Podcast besonders – und welche Rolle spielen dabei Zugänglichkeit und Auffindbarkeit?
Podcasts eignen sich besonders gut für Inhalte, die in die Tiefe gehen – also für Themen, bei denen man Zeit braucht, Zusammenhänge zu erklären, Stimmen wirken zu lassen oder auch mal Emotionen hörbar zu machen. Für Live-Reportagen oder Breaking News, die im Moment selbst relevant sind, ist das Format eher ungeeignet – da sind andere Medien schneller. Aber wenn man Geschichten erzählen will, ein Interview mit Substanz führen oder komplexe Themen aufbereiten möchte, dann ist der Podcast ideal.
Ein großer Vorteil ist natürlich die ständige Verfügbarkeit. Man kann jederzeit reinhören – morgens beim Zähneputzen, auf dem Weg zur Arbeit oder abends auf dem Sofa.
»Podcasts sind nicht an einen Sendeplatz gebunden und über viele Plattformen auffindbar. Das macht sie sehr viel zugänglicher – sie haben, wenn man so will, eine Art Ewigkeitsgarantie. Solange sie nicht vom Publisher oder der Plattform entfernt werden, bleiben sie da.«
Trotzdem ist die Auffindbarkeit im Detail noch eine Herausforderung. Man kann eben nicht wie bei einem Artikel einzelne Aussagen oder Stichworte googeln und sofort an die richtige Stelle springen. Das verändert sich gerade etwas – einige Plattformen wie Spotify oder der Deutschlandfunk beginnen damit, automatische Transkriptionen bereitzustellen. Aber flächendeckend ist das noch nicht. Deshalb arbeiten wir mit ergänzenden Produkten wie unseren Newslettern. Dort greifen wir zentrale Aussagen auf, zitieren wichtige Passagen aus Interviews, ordnen ein – und verlinken auf das Gespräch. Wer dann neugierig ist, kann es sich in Gänze anhören.
Wie vermittelt ihr abstrakte Inhalte wie Zahlen im Podcast-Format? Wie gelingt es, dass komplexe Daten auch rein auditiv verständlich bleiben?
Zahlen sind im Podcast-Format immer eine besondere Herausforderung, weil man sie eben nicht sehen kann. Deshalb achten wir sehr bewusst darauf, dass es nicht zu zahlenlastig wird – vor allem bei Interviews. Wenn Gesprächspartner sehr viele Zahlen, Relationen oder Prozentwerte nennen, versuchen wir im Gespräch, das aufzufangen, einzuordnen oder mit einer Nachfrage verständlicher zu machen. Aber wir erleben natürlich auch: Manche Dinge funktionieren auditiv einfach nicht gut, weil man sie besser sieht als hört.
Ein gutes Beispiel war unser Gespräch mit Veronika Grimm von den Wirtschaftsweisen. Sie hat bei uns das neue Sachverständigengutachten vorgestellt und auch Minderheitsvoten eingeordnet – das war inhaltlich spannend, aber eben auch sehr zahlengetrieben. In solchen Fällen hilft es uns enorm, dass wir zusätzlich zum Podcast auch einen Newsletter machen. Dort greifen wir die zentralen Punkte noch einmal auf, zitieren relevante Aussagen und bereiten die Daten grafisch oder strukturiert auf. Wer beides nutzt – Podcast und Newsletter – bekommt ein vollständigeres Bild: Tonalität, Haltung und Kontext im Audio, Zahlen und Fakten im Text.
Gerade bei komplexeren Inhalten oder Themen aus der Wirtschaft ist dieses Zusammenspiel wichtig. Denn der Podcast vermittelt nicht nur Informationen, sondern auch Atmosphäre – durch Stimme, Rhythmus, Betonung. Und der Newsletter schafft die Klarheit, wenn es um Details geht, die man vielleicht beim Hören überhört hätte oder nicht direkt einordnen konnte.
Welche Rolle spielen Podcasts heute im öffentlichen Diskurs – und wie sichtbar ist ihre Wirkung im Vergleich zu klassischen Medien wie Artikeln?
Audio hat nach wie vor eine große Bedeutung – und Podcast ist längst ein fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses. Wir merken, dass viele unserer Hörerinnen und Hörer früher zum Beispiel den Deutschlandfunk gehört haben und jetzt bewusst unseren Podcast nutzen. Sie wollen informiert in den Tag starten, aber auf ihre Art – flexibel, mobil, konzentriert auf das Wesentliche.
Was die Wirkung betrifft, beobachten wir deutlich: Inhalte aus unseren Podcasts werden weitergetragen – über Social Media, aber auch von anderen Medien. Wenn bei uns ein Gesprächspartner etwas Relevantes sagt, tauchen Zitate davon zum Beispiel bei tagesschau.de, Spiegel Online oder in den Nachrichten des Deutschlandfunks wieder auf.
Das zeigt: Podcasts werden ernst genommen – auch von klassischen Redaktionen. Und sie wirken oft stärker, als man denkt. Wir hören von Autorinnen und Autoren und von Verlagen, dass ein gutes Interview im Podcast messbar mehr Bücher verkauft als ein reiner Onlineartikel. Denn Audio schafft Nähe. Wer zuhört, bleibt oft länger dran, nimmt mehr mit – und handelt dann auch eher. Das ist eine Qualität, die man nicht unterschätzen sollte.
Lohnt es sich heute noch, einen eigenen Podcast zu starten – und worauf sollten Einsteiger:innen besonders achten?
Es lohnt sich dann, einen eigenen Podcast zu starten, wenn man wirklich etwas zu sagen hat – und zwar so, dass es nicht schon hundert andere auf dieselbe Weise tun. Der Markt ist voll, das stimmt. Aber das heißt nicht, dass alles gesagt ist. Entscheidend ist, ob man eine klare Idee hat, die originell ist – sei es durch ein besonderes Thema, einen neuen Zugang, eine spannende Kombi von Persönlichkeiten oder einfach durch eine Stimme, die man gern hört.
Wer einfach nur einen Podcast startet, weil es „alle machen“ oder weil man denkt, es gehöre heute zum guten Ton, wird schnell frustriert sein. Denn der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Vom Konzept über die Technik bis zur Verbreitung braucht es Planung, Durchhaltevermögen und ein gewisses Maß an Professionalität. Es reicht nicht, ein Mikro anzuschließen und draufloszureden.
Man sollte sich vor dem Start fragen: Was will ich damit eigentlich erreichen? Will ich sichtbar(er) werden? Eine Community aufbauen? Wissen vermitteln? Mein Netzwerk ausbauen? Will ich damit Geld verdienen? Das alles geht – aber nicht gleichzeitig und nicht sofort. Wer mit klarer Zielsetzung startet, kann mit einem Podcast viel bewegen. Gerade wenn man über Social Media gut vernetzt ist oder andere Reichweitenquellen hat, lässt sich der Einstieg deutlich leichter gestalten.
Wem würde ich abraten? Allen, die sich vom ersten Moment an große Reichweite oder monetären Erfolg erwarten. Podcasts brauchen Zeit. Viele machen den Fehler, nach drei oder vier Folgen wieder aufzuhören, weil »nichts passiert«. Aber das ist völlig normal. Dranbleiben ist essentiell. Und: Je durchdachter das Konzept – auch inhaltlich wie technisch –, desto größer die Chance, dass sich der Aufwand lohnt. Wer wirklich etwas beizutragen hat, wer bereit ist, regelmäßig zu liefern, sich Feedback zu holen und dazuzulernen – dem würde ich unbedingt Mut machen. Ein guter Podcast kann ein echtes Sprungbrett sein.
Buchtipp:
Der Kommunikationshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Marc Saha u.a.
ISBN 978-3-98640-030-9