Internationaler Tag des Kusses

Die elektronische Patientenakte kommt. Doch wer ist für diese sensiblen Daten verantwortlich?

von Uwe Rühl

Ab Herbst gilt ein neues Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG), das den Weg für neue Angebote wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte ebnet. Die Akzeptanz für diese digitale Neuerung hat durch die Corona-Pandemie zugenommen, vor allem, weil sie einen Mehrwert für Patienten und Ärzte generieren. Allerdings handelt es sich bei Patienteninformationen um besonders sensible persönliche Daten, die vor ungewolltem Zugriff geschützt werden müssen. Aber wer bestimmt in Zukunft darüber und trägt die Verantwortung für ihren Sicherheit?

Die einfache, aber auch komplexe Antwort: Jeder – Ärzte, Krankenhäuser oder Apotheken. Jeder verantwortet den Schutz, der von ihm in der sogenannten Telematikinfrastruktur verarbeiteten Patientendaten. Jeder muss Störungen und Sicherheitsmängel unverzüglich an die Gesellschaft der Gesundheitskarte melden. Schauen wir uns einmal genauer an, um welche Informationen es dabei geht.

Diese Möglichkeiten bietet das PDSG:

  • Für das E-Rezept soll es eine App geben, mit der es sich direkt auf dem Smartphone anzeigen lässt. Überweisungen zu Fachärzten sollen auf elektronischem Weg übermittelt werden können.
  • Die Nutzung der Elektronischen Patientenakte (ePA) ist freiwillig. Der Versicherte entscheidet, welche Daten dort gespeichert oder wieder gelöscht werden. Er entscheidet auch in jedem Einzelfall, wer darauf zugreifen darf.
  • Patientinnen und Patienten haben ab 2021 jedoch Anspruch darauf, dass Ärztinnen und Ärzte oder auch Heilpraktiker mit Kassenzulassung die ePA mit Daten befüllen.
  • Neben Befunden, Arztberichten oder Röntgenbildern lassen sich ab 2022 der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonusheft in der elektronischen Patientenakte speichern.
  • Versicherte können ab 2022 bei einem Krankenkassenwechsel ihre Daten aus der ePA übertragen lassen.
  • Ab 2022 bekommen Versicherte darüber hinaus die Möglichkeit, über ihr Smartphone oder Tablet für jedes gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen darf.
  • Außerdem können sie ab 2023 die abgelegten Daten freiwillig und datenschutzkonform der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen.

Noch ist der Datenschutz unausgereift

Kritiker sprechen aktuell noch von „unausgereiften“ Datenschutzregeln Sie bemängeln zum Beispiel, dass Patienten nicht schon zu Beginn, sondern erst ab 2022 bestimmen können, wer auf die einzelnen Dokumente zugreifen darf. Kein guter Start für die elektronische Patientenakte. Denn dieses „Alles oder Nichts“-Prinzip sorgt sicher für Vorbehalte.

Neben diesem offensichtlichen Kritikpunkt stehen uns aber vermutlich noch ganz andere Debatten bevor. Klärungsbedarf in Sachen Datenschutz gibt es vor allem noch bei der Zuteilung der Verantwortlichkeiten und der konkreten Umsetzung in der Praxis. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:

Frau Meyer steht in der Arztpraxis und hat gelesen, dass sie ihre Daten auf ihrem Smartphone mitnehmen kann. Den Wunsch äußert sie erst, wenn sie ihrem Arzt gegenübersitzt. Dieser erläutert kurz, worum es geht, und verweist an die Medizinische Fachangestellte (MFA). Im Anschluss des Arzt-Patientinnen-Gesprächs kommt Frau Meyer also zur Aktenbefüllung zur MFA. Diese muss neben ihren anderen Qualifikationen technisches Verständnis und Zeit mitbringen, um die Patientinnen und Patienten durch die Anmeldung  zu führen. Der Sperrbildschirm des Smartphones wird entsperrt, die ePA-App der Krankenkasse geöffnet und gesucht, wie man eigentlich die Verbindung nun aufbaut. Und wer muss sich eigentlich wie und wo authentifizieren?

Nur ein ganz kleiner Ausschnitt der notwendigen Prozesse und technischen und organisatorischen Maßnahmen, über die mit allen Beteiligten nachgedacht werden muss. Wir werden also noch viele spannende Diskussionen zum Ablauf, zur Sicherheit und zur praktischen Ausgestaltung führen müssen und uns darauf einstellen, viele offene Fragen zu klären, damit ein System, das für Patienten und Behandler in aller erster Linie hilfreich sein soll, nicht an Kinderkrankheiten zu scheitern droht. Dafür tragen wir als Gesellschaft, aber auch besonders der Staat als Treiber die Verantwortung.