Die meisten Führungskräfte wissen nicht, dass sie im C-Level eine andere Welt betreten
Gudrun Happich ist Sparringspartnerin für Führungskräfte auf C-Level-Niveau. Im Interview spricht sie über die Besonderheiten der Top-Etage.
Frau Happich, woran scheitern C-Level-Manager:innen häufig?
Am häufigsten höre ich von Führungskräften, die meine Bücher gelesen haben, den Satz „Ach, hätte ich das vorher gewusst, wäre ich gar nicht gescheitert“. Weil eben die meisten nicht wissen, dass sie im C-Level eine andere Welt betreten, wissen sie auch nicht, dass Verhaltensweisen aus dem Middle Management nicht mehr funktionieren. Natürlich wundern sie sich dann, wenn sie zum Beispiel ohne offensichtlichen Grund rausgekickt werden. Oder sie wundern sich über die ausbleibende Anerkennung, obwohl sie sehr gute Ergebnisse erreicht haben. Sie wussten schlicht nicht, dass die Art und Weise ihres Auftretens und Agierens nicht C-Level-gerecht war.
Können Sie einen konkreten Fall schildern?
Gerne. Einem Coaching-Interessenten erging es so: Er berichtete mir, dass er als CTO neu in ein Unternehmen gekommen war und am Standort Indien ein komplett neues Projekt installieren sollte. Er hat die Aufgabe ohne Widerstand – weder in Europa noch in Indien – innerhalb von drei Monaten geschafft. Doch als „Belohnung“ wurde ihm gekündigt. Dieser Mann verstand die Welt nicht mehr: Er hatte doch alles richtig gemacht. Warum schmissen die ihn dann raus? Wir haben lange gesprochen, um dem auf den Grund zu gehen. Es stellte sich heraus, dass sein jetziger Chef vorher selbst drei Jahre auf der Position war, die er übernommen hatte – und es in drei Jahren nicht geschafft hatte, das hinzukriegen, was mein Interessent in so kurzer Zeit geleistet hat. Ferner kristallisierte sich heraus, dass er seinen Chef nicht richtig als Verbündeten mitgenommen hatte. Im Gegenteil: Er war überwiegend auf der Aktions- beziehungsweise Ergebnisebene unterwegs und hatte so mehr oder weniger dafür gesorgt, dass sich sein Chef vorgeführt fühlte. Dessen Gedanken waren aller Wahrscheinlichkeit nach: „Da ist einer besser als ich. Bevor der mir zu nahekommt, entlasse ich ihn.“
Hätte dieser Manager denn angesichts dieser Situation überhaupt eine Chance gehabt? Was hätte er tun können?
Er ist – aus meiner Sicht – ein typischer Fall, der auf dem politischen Parkett der obersten Etage ausgerutscht ist. Schade! Auf jeden Fall wäre es hilfreich gewesen, im Vorfeld Einblick ins Unternehmen zu gewinnen und spätestens bei Beginn der neuen Rolle im neuen Unternehmen herauszufinden, nach welchen – ungeschriebenen – Regeln das C-Level dort spielt. Sich nicht oder nur unzureichend auf die neue C-Level-Position vorzubereiten oder anzunehmen, ich bin gut, die brauchen mich, so läuft das im C-Level nämlich nicht (mehr).
Und das gilt nicht nur für Aufsteigende ins C-Level! Hätte mein Interessent die Gepflogenheiten in dem Unternehmen gekannt, wäre er in der Lage gewesen, die Verhältnisse nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Mit ein paar Hintergrundinformationen hätte er zudem erfahren, dass der Chef vorher auf der gleichen Position saß. Vor allem wäre der richtige Weg gewesen, den Chef direkt zu fragen: „Was erwarten Sie von mir? Haben Sie konkrete Vorstellungen?“ Und diese Erwartungen dann nochmals tiefer zu durchdringen und zu hinterfragen à la „Was meinen Sie genau?“ Eine weitere Frage, die ich allen meinen Klient:innen ans Herz lege, lautet: „Lieber Chef, was müsste ich machen, damit Sie mich nach drei Monaten sofort wieder loswerden wollen?“ Weil diese Frage überrascht, funktioniert sie super; man kann davon ausgehen, dass eine ehrliche Antwort kommt. Generell gilt auch, sich mit Aktionismus-Verhalten im C-Level zurückzuhalten. Damit bringt man in der Regel nur die anderen Führungskräfte gegen sich auf. Ich rate auch immer dazu, die Vorgesetzten in die eigenen Pläne einzuweihen. So sichert man sich von vornherein, sie an seiner Seite zu haben.
Buchtipp:
Der Führungshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Sandra Echemendia u.a.
Mehr als 200 Jahre Führungswissen in einem Buch
ISBN 978-3-98640-019-4