Roland Tennie ist Heilpraktiker mit eigener Praxis in Essen. Er nennt seine Art der Behandlung „Komplementärmedizin“. Seine Therapien haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Volleyball-Olympiasiegerin Kira Walkenhorst ein Comeback erleben darf. Wir sprechen mit ihm darüber, was „Komplementärmedizin“ heißt, über Homöopathie und andere Behandlungsmethoden.

1. Sie sprechen bei Ihrer Art der Heilkunde von Komplementärmedizin. Wie dürfen wir das verstehen?

Wir dürfen im Sinne des Patienten Schulmedizin und Naturheilkunde nicht trennen. Sonst blockieren wir in Behandlungen Therapiemöglichkeiten, die in Summe zu einem besseren Ergebnis beim Patienten führen können. Natürlich gibt es Einschränkungen, die jeder geschulte Therapeut erkennen muss. Womit ich überhaupt nicht umgehen kann, ist der Begriff der „alternativen Medizin“. Wenn ich meinen Weg als Alternative darstelle, dann behaupte ich automatisch, dass die andere Seite die schlechtere Variante ist. Dies ist ein No-Go!

2. Zurzeit wird die Wirkung von homöopathischen Mitteln heftig diskutiert, wie auch deren Bezuschussung durch Krankenkassen. Sie haben lange Zeit auf der schulmedizinischen Seite gearbeitet, sind aber aktiver Heilpraktiker – sie kennen also beide Seiten. Wie stehen Sie zu dieser Diskussion?

Manche gesetzlichen Versicherer und viele private Krankenkassen werben mit der Erstattung homöopathischer Mittel. Prinzipiell ist das gut. Doch schaut man sich manche Programme dieser Angebote genauer an, stellt man sehr schnell fest, dass es sich oft um Mogelpackungen handelt. Sobald eine naturheilkundliche Maßnahme nicht wirklich wissenschaftlich bewiesen ist, distanzieren sich viele Kassen von der Kostenübernahme. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Ein komplettes Verbot der Erstattung, wie es derzeit von vielen Politikern und Vertretern anderen Verbänden gefordert wird, lehne ich aber konsequent ab.

3. Setzen Sie auch Globuli ein, um die es gerade besonders geht?

Ja ich setze auch Globuli ein. Die Diskussion um Globulis finde ich lächerlich, denn Globulis sind prinzipiell nicht gleich Homöopathie. Das scheinen die meisten nicht verstanden zu haben. Ein Globuli ist nur eine spezielle Art der Zubereitung und eine Form der Darreichung. Es gibt auch homöopathische Tropfen, Tabletten, Zäpfchen und sogar Spritzen. Rein theoretisch könnte man auch ein schulmedizinisches Medikament als Globuli herstellen, um beispielsweise die Einnahme bei Kindern zu erleichtern. Wenn ich also Globulis verbieten möchte, dann verbiete ich nur eine Form der Darreichung und keine komplette medizinische Richtung. Hier sind die Berichterstattungen und ganzen Artikel in den Medien sowas von weit vom Thema entfernt, dass mir manchmal der Kragen platzt.

4. Wie erklären Sie sich ihre Wirkung?

Wie gerade schon dargestellt, können wir nur die Wirkung der Homöopathie versuchen zu erklären. Beschrieben hat dies Samuel Hahnemann, beweisen können wir die Wirkung „noch nicht“. Es handelt sich um eine empirisch gesicherte Wirkung. Erfolge in den Therapien hat man über Jahrzehnte gesammelt, niedergeschrieben und danach entscheidet man heute über den Einsatz der Homöopathie. Mein „noch nicht“ bezieht sich auf die hoffentlich kommende Möglichkeit, die Wirkung wissenschaftlich nachzuweisen, ähnlich wie man bei der Akupunktur Fortschritte macht. Den immer wieder diskutierten Placeboeffekt kann ich nicht bestätigen, da gerade junge Patienten nicht immer Kenntnis von der Behandlung haben und trotzdem gesund werden. Ein besonderer Aspekt der so genannten Glaubensfrage ist die Wirkung bei Tieren. Ich kenne dort tolle Erfolge und jetzt raten Sie mal, wie sehr ich einem Hund die Heilung durch Einbildung zugestehen werde.

5. Hat die Diskussion negative Auswirkungen auf andere heilpraktische Mittel?

Ja sicherlich, aber da unterscheiden wir uns in keinster Weise von der Schulmedizin. Es gibt immer wieder Diskussionen, die dann schnell auf andere Behandlungsmethoden übergreifen. Die Naturheilkunde kennt diese Diskussionen bei Nahrungsergänzungsmitteln, der Pflanzenheilkunde und vielen anderen Medizinprodukten. Die Schulmedizin kämpft oft beim Bekanntwerden von Nebenwirkungen einzelner Medikamente. Die reichen häufig aus, um die ganze Schulmedizin und Pharmaindustrie zu kritisieren. Aktuell heißt es zum Beispiel, dass 40 Prozent aller Tumorpatienten an der Chemotherapie sterben und nicht an der eigentlichen Erkrankung. So etwas erlebe ich auf beiden Seiten der Medizin. Ich denke, hier muss man viel filigraner und mehrmals hinschauen, bevor man zu schnell urteilt. Gleiches erwarte ich auch für die Naturheilkunde.