Employer Culture statt Employer Branding

Interview mit Jens Vogt: „Employer Branding ist im Wettbewerb um Top-Talente nicht genug!“

von Jens Vogt

Die Unternehmen müssen mehr nach innen schauen, um gute Mitarbeitende für sich zu gewinnen. Davon ist Jens Vogt überzeugt. Der Partner bei Heidrick & Struggles und Co-Autor des Buches „Lead now! Wirksam führen im 21. Jahrhundert“ plädiert für eine Employer Culture. Im Interview mit den Montagshappen stellt er dar, was er damit meint.

Wegen des Fachkräftemangels sind Unternehmen stark gefordert, Mitarbeitende zu gewinnen. Viele von ihnen investieren daher in Employer Branding, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber in den Markt zu kommunizieren. Ihrer Meinung nach greift das zu kurz. Warum?

Die Unternehmen sind in ihren Employer-Branding-Aktivitäten zu stark marketinggetrieben. Marketingmaßnahmen allein funktionieren im heutigen Markt aber nicht mehr, um als Arbeitgeber zu überzeugen. Es reicht nicht aus, mit einer schönen Fassade punkten zu wollen. Wir leben in Zeiten von größter Transparenz. Durch Bewertungsportale wie Kununu und Social Media sind Unternehmen sozusagen gläsern geworden. Das heißt, wenn die Unternehmen etwas versprechen, das sie dann aber nicht halten, spricht sich das rasend schnell herum. In diesem Zuge wachsen auch die Ansprüche, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Arbeitgeber haben. Die Menschen schauen stärker auf die Unternehmenskultur. Statt auf Employer Branding sollten die Unternehmen daher konsequent auf Employer Culture setzen. 

Was bedeutet Employer Culture konkret?

Im Prinzip geht es darum, nach innen zu schauen und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Mitarbeitenden sich gut aufgehoben fühlen im Unternehmen. Mit einem Kicker, kostenfreien Getränken und ähnlichem ist es nicht getan. Auch nicht mit flexiblen Arbeitszeiten. Vielmehr ist es wichtig, ihnen ein Gefühl von Vertrauen zu vermitteln. Ihnen Freiräume zu gewähren, aber auch eine psychologische Sicherheit zu bieten. Und sicherzustellen, dass sie gesehen werden und persönlich wachsen können. Ich habe mal ein Interview mit einem vielfach ausgezeichneten Rosenzüchter gelesen, der sehr bescheiden konstatierte, dass seine Rosen im Grunde allein aus sich selbst herauswachsen. Sein Anteil sei lediglich, ihnen den richtigen Boden zu bereiten und für optimale Wachstumsbedingen zu sorgen. Das finde ich ein schönes Bild; so sollte es im übertragenen Sinn in Unternehmen sein.

Wer im Unternehmen ist für die Entwicklung der Employer Culture “zuständig” beziehungsweise von wem kann die Entwicklung ausgehen?

Der größte singuläre Wirkungshebel sind die Führungskräfte. Denn wie sich die Kultur im Unternehmen anfühlt, wird maßgeblich durch das Verhalten der Führungskräfte beeinflusst. Wenn sich Führung verändert, verändert sich somit automatisch die Kultur. 

Um eine Employer Culture entstehen zu lassen und somit für Top-Talente attraktiv zu sein, brauchen die Unternehmen eine entwicklungsorientierte Führung. Das heißt, die Führungskräfte müssen ihre Mitarbeitenden in ihren Stärken unterstützen und sie situationsangemessen fördern, damit sie wachsen und sich entwickeln können. Das gelingt zum Beispiel durch eine Erweiterung des eingesetzten Führungsstil-Spektrums – etwa, indem die Führungskraft ihre Mitarbeitenden mit inspirierenden Fragen und Perspektivwechsel zum Ergebnis führt statt Lösungen vorzugeben.

Letztlich müssen sich also die Führungskräfte verändern, damit sich die Unternehmenskultur im Sinne einer Employer Culture entwickeln kann… Wie gelingt das?

Die Unternehmen sollten einen stärkeren Fokus auf die Führungskräfte-Entwicklung legen. Denn Führungsverhalten ist das, was wir konkret beeinflussen können. Und es ist unmittelbar kulturprägend. Ich bezeichne Kultur auch gern als Wirkungsschatten der Führung. Insofern braucht es einen klaren Fokus. Wenn ich Kultur entwickeln will, muss ich Führungskräfte entwickeln. Hierbei wiederum darf es aber nicht nur um die Entwicklung von Skills und Methodenkompetenz gehen. Wenn ich die Arbeit an der Führungspersönlichkeit außer Acht lasse, dann ist der Aufwand nicht viel wert. Weil Führungskräfte Menschen sind, und Menschen sind geprägt von ihren Motiven, Werten, Mustern und Verhaltenspräferenzen. Das heißt: Wir brauchen Führungskräfteentwicklung, die auch Persönlichkeitsentwicklung ist. Führungskräfte müssen das nötige Bewusstsein entwickeln, dass sie mit ihrer Führungspersönlichkeit und mit ihrer Führungsarbeit die Kultur im Unternehmen prägen. Dann schauen sie schon mal eher, was sie tun können, damit sich ihre Mitarbeitenden in Bestform fühlen. 

Was ist die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung einer Employer Culture?

Die Unternehmen müssen unbedingt das Topmanagement für den neuen Kurs gewinnen. Solange ein Vorstand oder eine Geschäftsleitung nicht erlebbar hinter der Entwicklung der Führungskräfte und einer Employer Culture steht und sich nicht aktiv daran beteiligt, hat Kulturveränderung im Unternehmen keine Chance.

Buchtipp:
Lead now! Wirksam führen im 21. Jahrhundert
Cornelia Tanzer, Jens Vogt und Jörg Mildner
ISBN: 978-3756841530