
In der Experten-PR geht es nicht darum, möglichst oft und laut zu kommunizieren
Jana Assauer unterstützt Expert:innen und Organisationen dabei, ihr Wissen in journalistischen Texten und Formaten zu verbreiten – mit ihrer PR-Agentur, einem Sachbuchverlag und einem eigenen Themendienst und Online-Magazin.
Alle haben mittlerweile die Möglichkeit über die eigenen Social-Media-Kanäle ihr Wissen und ihre Expertise zu teilen – unabhängig von PR-Agenturen und Redaktionen. Warum noch den Aufwand betreiben, um in klassischen Medien zu landen?
Das lohnt sich aus verschiedenen Gründen – auf jeden Fall, wenn eine gute Reputation das mittel- und langfristige Ziel ist. Denn die sozialen Medien wimmeln nur so von selbsternannten Expert:innen. Jede und jeder kann alles behaupten und vieles wird unverhältnismäßig aufgeblasen. Dort findet eine Party sich gegenseitig beweihräuchernder (Boys-)Clubs statt. Wie soll das für Vertrauen sorgen?
Ich will klassische Pressearbeit nicht romantisieren, aber sie ist nach wie vor eine der wenigen Formen der Kommunikation, durch die Inhalte unabhängig verifiziert, eingeordnet und in einen seriösen Kontext gestellt werden. Social Media ist ein großartiges Tool für Reichweite, aber:
Reichweite bringt noch keine Glaubwürdigkeit für die eigene Expertise und Sichtbarkeit erzeugt nicht automatisch Vertrauen.
Gerade für Expert:innen, deren Kompetenz Glaubwürdigkeit braucht, ist die Positionierung über seriöse Medien noch immer relevant. Ein Interview in einem Leitmedium oder ein Beitrag in einer Fachzeitschrift signalisieren: Diese Person wurde von einer unabhängigen Redaktion als relevant eingestuft. Sie wird nicht nur gehört, weil sie selbst laut ruft, sondern weil andere ihre Meinung für bedeutsam halten. Heute kann jede:r alles behaupten. Da sind Glaubwürdigkeit, Relevanz und journalistisch geprüfte Inhalte rare Güter.
Die Reichweite über soziale Medien kann außerdem sehr flüchtig sein. Wir bleiben dabei immer abhängig von Plattformen, die sich unserer Kontrolle entziehen, einem Algorithmus, den wir nicht genau kennen und der sich jederzeit ändern kann. Ich will Social Media aber gar nicht schlechtreden oder mit Pressearbeit in Konkurrenz setzen. Das ist kein Entweder-oder. Im besten Fall nutzt man beides sinnvoll, um sich langfristig eine eigene Reichweite und gute Reputation aufzubauen. Presseergebnisse sind wunderbare Content-Quellen für die sozialen Medien, durch die man dort glaubhaft die eigene Expertise belegen kann. Content Creator:innen in den sozialen Medien profitieren außerdem auch von Interviews und Berichten in klassischen Medien und können dadurch ihre Reichweite weiter steigern. Zuletzt habe ich das beobachtet bei einer Künstlerin, die Miniaturen anfertigt und ihren Prozess und ihre Gedanken dazu auf TikTok und Instagram teilt. Meine Kinder und jetzt noch tausende Kinder mehr lieben ihre Inhalte.
Aber natürlich muss man, um zeitgemäße Pressearbeit zu machen, die Veränderungen und Verschiebungen im Blick haben und darf davor nicht die Augen verschließen. Eine Kollegin von mir arbeitet bei der taz und begegnet vermehrt Student:innen, die ganz überrascht sind, dass es die taz auch als Zeitung gibt, da sie sie bisher nur als Instagram-Account kennen. Das zeigt: Wir brauchen ein stärkeres Miteinander von klassischer Medienarbeit und digitalen Kanälen als sich ergänzende Werkzeuge, um die relevanten Themen unserer Zeit fundiert und glaubwürdig zu verhandeln.
Aber nachhaltiger ist meines Erachtens noch immer gute Pressearbeit. Reputation hat nämlich auch eine zeitliche Dimension. Sie ist der Ruf, der uns bei Menschen vorauseilt, die wir noch gar nicht persönlich kennengelernt haben. Ein viraler Beitrag mag für 48 Stunden die Timeline bestimmen – ein gut gesetztes Interview oder ein Porträt in einem Leitmedium wirkt oft noch Jahre später nach und wird bei Online-Recherchen, im News-Sektor und durch KI immer wieder gefunden, weil es als relevant eingestuft wird. Und mit einem Interview, das über den dpa-Themendienst verbreitet wird, erzielt man auch enorme Reichweiten. Eine Meldung findet in 60 bis über 100 Medien statt, bei denen sie teils automatisch einlaufen. Die gedruckten Ausgaben von Zeitungen sind da noch gar nicht miteingerechnet. Ich bin gespannt, wie sich Verbreitung und Auffindbarkeit noch weiterentwickeln. Immer mehr Kund:innen berichten, dass sie über KI-Recherchen gefunden werden. Und auch Journalist:innen nutzen diese Tools immer häufiger. Wer einmal für sein Thema interviewt oder zitiert wurde, hat auf jeden Fall große Chancen auf weitere Anfragen.
Pressearbeit bietet außerdem die Möglichkeit, neue Menschen außerhalb der eigenen Bubble zu erreichen. Die Auflage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mag vielleicht insgesamt kleiner sein als die Reichweite, die ein viraler Post erzielt. Dafür erreicht ein fundiertes Interview in der FAZ genau die Entscheider:innen und Meinungsbildner:innen, die wirklich Einfluss auf wichtige Themen haben.
Reputation entsteht im relevanten Umfeld. Und klassische Medien sind nach wie vor exzellente Kuratoren dieses Umfelds.
Die direkte Messbarkeit vom Erfolg eines Artikels ist allerdings tatsächlich schwierig. Das lässt sich nicht bestimmen wie die Conversion Rate eines Funnels oder die Kosten pro Klick und Kauf bei Online-Anzeigen. Earned Media ist aufwendig, nicht immer planbar, manchmal unbequem – aber genau deshalb so wertvoll. Wenn wir alle nur noch in unseren eigenen Contentblasen agieren, verkommt Experten-Kommunikation zum Selbstgespräch. Und davon profitieren am Ende weder die Gesellschaft noch die Expert:innen. Pressearbeit ist ein langfristiges Tool, das sich auszahlt, wenn man dranbleibt. Man muss dafür auch kein riesiges Budget aufbringen, sondern kann sie selbst machen. Das kostet »nur« eine Menge Zeit.
Wie »earned« man denn einen Artikel in relevanten Medien?
Wer seine eigene Pressearbeit machen will, sollte ein paar Dinge beachten. Mein erster Rat wäre: keine Pressemitteilung verschicken. Es kann in seltenen Fällen sinnvoll sein oder eine ergänzende Maßnahme darstellen. Aber Expert:innen würde ich davon abraten. Sie landen im besten Fall im digitalen Papierkorb und kosten im schlechtesten Fall Journalist:innen wertvolle Zeit. Ich vergesse nie den Titel eines Spiegel-Online-Artikels, in dem Patrick Beuth, damals Netzwelt-Redakteur, seinem Ärger Luft gemacht hat: »PR aus der Hölle«. Außerdem haben er und einige Kolleg:innen unter dem Hashtag #prfromhell die skurrilsten Einsendungen gesammelt, die bei ihnen eingingen. Viele verstehen nicht, dass Redakteur:innen keine Werbeplätze vergeben, sondern journalistische Verantwortung tragen. Sie arbeiten für ihre Leser:innen.
Wer Journalist:innen nur als Reichweitenbeschaffer sieht, hat eigentlich schon verloren.
Gute Experten-PR bedeutet immer, die Logiken der Medienwelt zu verstehen und ernst zu nehmen. Wie sind die Arbeitsweisen, die Deadlines und wie laufen redaktionelle Entscheidungsprozesse ab? Medien sind keine Dienstleister der PR. Wem das klar ist, der wird viel eher und häufiger zu einer gefragten Expertenstimme.
Es ist wahnsinnig wichtig, verlässlich, gut vorbereitet und transparent zu sein. Nichts ist für eine Redaktion schlimmer als ein Experte oder eine Expertin, die kurzfristig absagt, ungenaue Fakten liefert, sich im Interview plötzlich nicht äußern oder hinterher alles wieder streichen möchte. Und: Journalist:innen merken sehr schnell, ob jemand wirklich was zu sagen hat oder nur eine PR-Show abzieht.
Expert:innen, die Medien ihre eigene Expertise aktiv anbieten wollen, sollten sich auch mit den einzelnen Medien und den Journalist:innen auseinandersetzen, die sie anschreiben und ansprechen. Wer sind deren Leser:innen, welche Ressorts gibt es, welche Themen werden darin behandelt, von wem und in welcher Form? Einige Hinweise geben die Mediadaten oder das Impressum und die Autorenseiten der Journalist:innen.
Wenn ich Expert:innen in ihren PR-Aktivitäten anleite, empfehle ich immer, selbst zu recherchieren und nicht einfach zu Zimpel oder schnell veralteten Presseverteilern zu greifen. Am besten, sie suchen nach Medien für Branchen, in denen sie auch tatsächlich arbeiten, und nach Journalist:innen, die bereits zu ähnlichen Themen schreiben. Wer den turi2-Newsletter mit Branchennews zur Kommunikationsbranche abonniert oder sich regelmäßig bei kress umschaut, ist über neue Entwicklungen und Personalien in der Medienbranche informiert.
Übrigens müssen es nicht immer gleich Der Spiegel und Co. sein oder gleich ein Fernsehauftritt. Deutschland verfügt noch immer über eine breite Medienlandschaft. Manchmal ist ein Artikel in einem Branchenmedium oder einer speziellen Nische sowieso viel sinnvoller. Oft ist die Resonanz auf sogenannte kleine Medien höher als auf die großen. Ich spekuliere nicht. Meine Einschätzung basiert auf Erfahrungswerten, die ich während meiner Arbeit immer wieder bestätigt bekomme. Außerdem wird das Radio häufig unterschätzt.
Man sollte die Medien also strategisch auswählen?
Ganz genau. Das ist ein sehr guter Punkt. Selbst wenn man die Pressearbeit selbst macht, sollte man sich vorab Gedanken über die eigenen Ziele machen und welche Themen und Medien diese unterstützen. Ich würde dabei Medien nie ausschließlich wegen ihrer Reichweite oder Prestige, sondern nach Zielgruppe auswählen. Klar, fast alle, die mit Pressearbeit starten, wollen gerne in die großen überregionalen Zeitungen, aber sie sollten sich fragen, ob ihr Thema wirklich zu diesen Medien passt – und wenn ja, welcher Aspekt davon.
Welche eigenen Themen hast du? Zu welchem Thema verfügst du über eine eigene, abweichende und fundierte Sichtweise? Wo bietest du bereits Mehrwert für deine Kund:innen? Welches Wissen hilft anderen weiter und bringt uns vielleicht sogar gesellschaftlich voran?
Kommuniziere nur echte News.
Bist du dir nicht sicher, dass deine News zwingend sind, schau dir das Medium genau an, in das du gerne möchtest, und überprüfe, ob bereits ähnliche Themen behandelt wurden, zu denen du einen neuen Ansatz liefern kannst.
Buchtipp:
Der Kommunikationshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.)
ISBN 978-3-98640-030-9