Interview mit Jeannine Halene über Recruitment-Kampagnen
Die Düsseldorfer Werberin Jeannine Halene ist diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin, HR-Marketing Expertin, Gründerin und Geschäftsführerin der Rheinschurken GmbH und Co-Autorin des Buches „Marketing – Jenseits vom Mittelmaß“.
Sie machen für Unternehmen immer mehr Recruitment-Kampagnen. Nimmt die Nachfrage danach zu und wenn ja, warum?
Ja, meine Werbeagentur ist in den letzten Jahren stark in dieses sehr gefragte Feld hineingewachsen. Für mich als Personal-Marketing-Expertin natürlich genau das Richtige… Oft höre ich Personalchefinnen oder Geschäftsführer klagen: „Die Bewerber haben viel zu hohe Anforderungen – so etwas hätte ich mich früher nicht getraut zu formulieren.“ Meine Antwort darauf: „Mag sein. Aber das ist nun mal die Generation, die zur Verfügung steht. Wollen Sie sich also mit der Realität streiten, sich weiter beschweren, oder besser versuchen, sie zu verstehen?“. Als HR-Beraterin muss ich manchmal meinen Finger in die Wunde legen. Dafür werde ich schließlich auch bezahlt.
Wir leben in einer Zeit der Vollbeschäftigung. Hinzu kommen der demografische Wandel und ein immer globaler werdender Wettbewerb um die Besten. Dazu die Situation der Digitalisierung, die viele neue Berufsbilder schafft. Auch nicht zu unterschätzen ist die aktuell sehr ausgeprägte Gründermentalität vieler junger Menschen. Das alles erklärt schon mal, warum sich deutlich weniger Menschen auf offene Stellen bewerben. Der wichtigste Punkt aber ist, die mangelnde Attraktivität der Arbeitgebermarken. Einem Großteil der jüngeren Generation ist wichtig, welchen Ruf der Arbeitgeber hat und wie zeitgemäß die Unternehmenskultur ist. Das erklärt die hohe Nachfrage nach Recruiting-Kampagnen. Ich helfe, eine Brücke zu schlagen, und bin sozusagen Übersetzerin zwischen der herkömmlichen hierarchischen Führungsebene und der Next Generation.
Was unterscheidet HR-Kampagnen von „klassischen“ Werbekampagnen?
Eigentlich gar nicht so viel. Eine Werbekampagne bewirbt ein Produkt und erhöht im besten Fall die Nachfrage nach diesem. Bei der Recruiting Kampagne ist der Arbeitgeber, also das Unternehmen das „Produkt“, welches nachgefragt werden soll.
Sie haben ein Buch „Marketing – Jenseits vom Mittelmaß“ geschrieben. Was macht eine Recruitement-Kampagne herausragend und woran lässt sich das messen?
Ich würde sagen, es gelten die gleichen Regeln wie in der Produkt-Kommunikation. Wir leben in einer Welt der ZUVIELISATION. Damit meine ich zu viel von allem, und vor allem zu viel Werbung. Hier herauszustechen und einen Bewerber zu berühren, gelingt nur, wenn man etwas Extremes macht. Wir müssen auffallen, um gehört zu werden.
Man muss aber unbedingt an den langfristigen Erfolg denken. Dieser stellt sich nur ein, wenn man nicht nur an der Front Recruiting Kampagnen fährt, sondern die gesamte Employer-Journey betrachtet: Ein Arbeitgeber, der nicht hält, was die Kampagne versprochen hat, wird schnell wieder verlassen. Und noch schlimmer: Der Enttäuschte wird kein gutes Aushängeschild sein. Nur Unternehmen, die verstanden haben, dass die Bereiche On-Boarding, Mitarbeiter-Entwicklung und sogar das Off-Boarding gleich wichtig sind, werden langfristige Erfolge erzielen.
Personalmarketing ist in meinen Augen der in Zukunft wichtigste Marketing-Baustein, um ein Unternehmen erfolgreich zu machen und zu halten. Denn bei aller Digitalisierung ist für mich immer noch „Human the next big thing“ und die richtigen Menschen am passenden Ort der entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen.
Wie fallen Unternehmen denn heute noch auf? Können Sie ein paar erfolgreiche Beispiele nennen?
Meister beim Auffallen in Sachen Marketing ist noch immer SIXT. Auch ihre aktuelle Recruiting-Kampagne „Jetzt müsste es bei Dir klingeln“ fuhr gute Erfolge ein. Diese sind aber auch der generellen hohen Bekanntheit der Marke zuzuschreiben.
IKEA Australien ging es außerdem besonders smart an: Sie packten in alle Produktkartons eine Stellenbeschreibung der offene Jobs. Diese Aktion wurde von Social Media Beiträgen begleitet und sorgte international für Aufsehen.
Ein Beispiel aus unseren eigenen Reihen ist CAP. Die englische Marke wurde von uns im deutschen Markt gelauncht und suchte natürlich auch Mitarbeiter:innen, um weiter zu wachsen. Passend zum verrückten Kampagnen-Motiv zu „endlich frischen Fahrzeugbewertungen“, wurden dann Mitarbeiter:innen mit dem Claim „Frischfleisch gesucht“ aufgefordert, sich zu bewerben. Das war natürlich leicht provokativ. Die Presse berichtete und wir schafften es in die W&V.
Die eine oder andere Kampagne von Unternehmen haben schon einen Shitstorm geerntet oder sind zumindest belächelt worden. Wie kann man das vermeiden?
Bitte nicht selbst machen, sondern Experten ranlassen. Diese „Fremdschäm-Kampagnen“ entstehen, wenn eine andere Generation denkt, dass der jungen Generation ihre Idee bestimmt gefällt. Eben nicht! Denken ist nicht wissen. Das Wichtigste daher: Verstehen Sie Ihr Gegenüber und begegnen Sie ihm auf Augenhöhe. Ein Shitstorm entsteht nur da, wo schlecht kommuniziert wird.