Fokus auf sich selbst

Interview mit Mona Schnell: „Ich habe den Fokus von meiner Trauer auf mein Wohlbefinden umgelenkt.“

von Mona Schnell

Letztes Jahr hat sich dein Leben von heute auf Morgen dramatisch verändert: dein Hund ist gestorben, dein Partner und Geschäftspartner hat sich nach fast 10 Jahren Beziehung getrennt. Heute sagst du, geht es dir besser als jemals zuvor. Wie kommt das?

Nach dem ersten Schock der Trennung habe ich für mich beschlossen: Ich möchte nicht leiden – oder zumindest nicht mehr als nötig. Ich habe die Situation akzeptiert und nicht versucht, zu ändern, was ich nicht ändern kann und nicht in meiner Hand liegt. Stattdessen habe ich mir eine Bucketlist geschrieben mit Dingen, die ich schon immer mal machen wollte, und sie dann Stück für Stück umgesetzt. Kurzum, den Fokus von meiner Trauer auf mein Wohlbefinden umgelenkt. Ich habe mich gefragt, was ich brauche, um glücklich zu sein, mir Techniken angeeignet, mit denen das leichter gelingt und ich habe zahlreiche Weiterbildungsangebote besucht. Ein Jahr später bin ich Yogalehrerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Hypnosetherapeutin und noch ein bisschen mehr. Und ich habe ein Buch darüber geschrieben. Mit meinem Partner bin ich übrigens auch wieder zusammen.

Klingt einfacher als es vermutlich war, oder?

Ja und nein. In der Nacht, in der mein Partner ging, habe ich sehr impulsiv ein Yoga-Teacher-Training auf Bali gebucht. Das war die beste Entscheidung meines Lebens. Wer schon einmal auf Bali war, weiß, wovon ich rede. Diese Insel und die Menschen dort haben eine so wunderbar positive Energie. Der kann man sich nicht entziehen. Und beim Teacher-Training konnte ich Themen bearbeiten, die ich wohl jahrelang verdrängt hatte. Da ich mich schon immer für Psychologie interessierte und viel darüber gelesen habe, schien es in einer Situation, in der ich – nennen wir es mal beim Namen – schwere Anpassungsschwierigkeiten hatte, hilfreich, tiefer in die Materie einzutauchen und auch die wissenschaftliche Seite genauer zu beleuchten. Das findet sich auch im Buch wieder. Ich glaube zwar sehr an Energien, aber ich finde es auch schön, wenn ich die Wissenschaft nicht aus den Augen verliere. Das hilft mir, vieles für mich greifbarer zu machen.

Mein Partner und mein Hund waren meine eigene kleine Familie. Und ganz plötzlich war sie komplett weg – einfach so. Ich habe mich verrückt gemacht, ob mein Hund am Ende leiden musste, ob ich ihn vernachlässigt hatte … Als ob die Situation nicht schon schlimm genug war, habe ich mir noch die Schuld an allem gegeben. Dabei war er einfach nur alt und hatte einen guten Tod. Er ist einfach nicht mehr aufgewacht. Das hatte ich mir immer für ihn gewünscht. Aber anstatt mich für ihn zu freuen, bin ich innerlich total durchgedreht und habe nach allem gesucht, was ich falsch gemacht hatte. Als ob das irgendjemandem etwas genützt hätte. Heute gehe ich mit mir selbst achtsamer um – zumindest meistens. Ich stelle meine Bedürfnisse und alles, was mir guttut in den Vordergrund. Ist das egoistisch? Klar, aber es schenkt mir Energie, die ich dann auch für meine Arbeit und für andere habe. Wirklich gut dabei hat mir eine Hypnosetherapie geholfen. Das war faszinierend, wie schnell sich da gefühlt Berge versetzen ließen.

Ist eine Neuausrichtung mit über 40 schwieriger als in seinen 20ern?

In gewisser Hinsicht sicher. Einerseits ist das oft die Zeit, in der Beziehungen schon lange andauern und sich so viele liebgewonnene Gewohnheiten eingeschlichen haben, die es dann loszulassen gilt. Anderseits sind viele in dem Alter schon verheiratet, haben Kinder – oder wie bei mir, eine gemeinsame Firma. Dann funktioniert das „Ich dreh mich um und bin weg“ nicht so leicht – für beide Partner:innen. Hinzu kommt, dass viele nicht gut allein sein können und in der Konsequenz große Angst davor haben, keine:n neue:n Partner:in zu finden. Ich glaube, mit 20 ist das nicht so dramatisch. Da ist es eher normal, das Partner:innen neue Wege einschlagen.

Ein großer Vorteil für Menschen Ü40 ist allerdings auch, dass sie so viel Lebenserfahrung haben, um zu wissen, dass die Welt nicht untergeht, weil sie keine:n Partner:in mehr haben. Oft ist der Freundeskreis stabiler, die Kinder sind schon groß und vieles mehr. Mir selbst war schnell klar, dass ich mich und meine Bedürfnisse, um meinen Partner herum aufgebaut hatte und, dass mir das gar nicht gefiel. Die Trennung war also eine gute Chance, um wieder mehr zu mir selbst zu finden und meine Bedürfnisse klarer zu spüren.

Nicht für jeden sind Yoga und Co, der richtige Weg. Was sind Tipps, die jedem nach dem ersten Schock schnell helfen und wie finden wir heraus, was auf die eigene Bucketlist sollte?

Ich bin davon überzeugt, dass Bewegung der mentalen Gesundheit auf jeden Fall zuträglich ist, ob Yoga, Joggen, Tanzen … das ist fast egal. Yoga hat eben, wenn man sehr bewusst da ran geht, auch eine spirituelle Komponente, die sehr hilfreich sein kann. Mir ist aber schon klar, dass das gar nicht jede:r möchte – auch wenn ich es wärmstens empfehlen kann. Ganz besonders wichtig ist der Fokus auf die richtige, tiefe Atmung in den Bauch. Das ist, ganz wissenschaftlich betrachtet optimal, um Stress zu reduzieren. Was übrigens auch hilft, Stress abzubauen, ist lachen. Wenn einem danach im Trennungsmoment nicht zumute ist, dann einfach einen Stift quer in den Mund schieben, sodass die Mundwinkel sich zu einer Fratze verziehen. Nach ein paar Minuten sagt unser Gehirn: Mensch, da gibt’s wohl was zu lachen und schüttet Glückshormone aus. Nichts einfacher als das.

Viele führen ihr Leben lang eine Liste mit Dingen, die sie gerne machen würden, wie kommen wir auch tatsächlich ins Umsetzen?

Da ist jede:r anders gestrickt. Ich bin eher der spontane „Einfach mal machen“-Typ. Wem das nicht so leicht fällt, der kann mit kleinen Veränderungen anfangen. Ich liebe ja Micro-Habits. Wenn ich zum Beispiel zwei Mal die Woche ins Fitnessstudio möchte, mich dann aber nicht so richtig aufraffen kann oder andere Dinge wieder wichtiger sind, dann ist mein Tipp, erst einmal einfach die Sporttasche nur zu packen. Wenn ich dann schon vom Schreibtisch oder vom Sofa aufgestanden bin, fällt es viel leichter, rauszugehen und zu trainieren. So lassen sich positive Routinen etablieren. Darüber gibt es ganze Bücher. Wenn man, wie ich, gleich so große und teure Sachen wie ein Yoga-Teacher-Training auf Bali auf seiner Liste stehen hat, ist das mit dem Umsetzen natürlich auch von vielen anderen Faktoren abhängig, zum Beispiel von den Finanzen. Hier kann ich nur raten, sich mit dem Thema schnell zu beschäftigen. Denn Geld bedeutet in vielerlei Hinsicht Unabhängigkeit. Wenn diese finanzielle Unabhängigkeit gewährleistet ist, fällt es oft leichter auch andere Entscheidungen für sich zu treffen.

 

Buchtipp:

Mona Schnell
Weiblich, Ü40, verlassen. Die Bucketlist für das Jahr danach
ISBN-13 978-3-98640-008-8