Interview mit Ursula Vranken: „Der Sandwich-Manager wird zum Coach“
Mitarbeitende sollen künftig selbstbestimmter arbeiten, Unternehmen werden hierarchieloser. Was bedeutet das für das mittlere Management? Die Leadership-Expertin Ursula Vranken im Interview mit den Montagshappen.
Frau Vranken, Unternehmen arbeiten zunehmend agil. Kurz umrissen: Was bedeutet das?
Die Unternehmen brauchen im zunehmenden Wettbewerb und der Digitalisierung schnellere Entscheidungswege – und damit auch flachere Hierarchien. Die Zeiten, in denen es ausreichte, dass nur der Kopf der Organisation denkt und die Richtung vorgibt, sind vorbei. Die Mitarbeitenden müssen ihre Stimme direkter und schneller erheben können als bisher, sie müssen mitentscheiden und selbstbestimmt arbeiten können.
Werden Abteilungs- und Teamleiter, also die mittleren Führungskräfte, überflüssig, weil Mitarbeitende agil und selbstbestimmt arbeiten?
Nein, sie nehmen vielmehr eine neue Rolle ein und wirken eher im Sinne eines Coaches. Das heißt, sie begleiten ihre Mitarbeitenden, leiten diese an. War es früher ihr Job, ein Projekt vorzudenken, müssen sie jetzt die optimalen Bedingungen dafür schaffen, dass ihr Team dieses zu Ende denken und umsetzen kann. Vor allem geht es verstärkt darum, dass sie mittels eines moderierenden Führungsstils Kreativität, Innovationen und Prozessverbesserungen initiieren.
Wie kann das gelingen? Was also gehört zu den konkreten Aufgaben des Middle Managers?
Er oder sie organisiert die richtige Technik und teilt relevantes Firmenwissen mit den Mitarbeitenden. Darüber hinaus ordnet der Sandwich-Manager, wie die Abteilungs- und Teamleiter häufig auch genannt werden, die Aufgaben dem jeweils passenden Experten im Team zu. Moderierende Aufgaben stehen insgesamt im Mittelpunkt. So muss die Führungskraft eruieren, beziehungsweise sich rückversichern, ob die nötige Technik vorhanden und alle Aufgaben geklärt und verteilt sind. Sie sollte sich zudem Feedback einholen, ob jeder im Team die eigene Rolle kennt, wo Lern- und Entwicklungsbedarf besteht und wer eventuell unglücklich mit seinen Aufgaben ist. Und natürlich muss die Führungskraft wissen, was vielleicht nicht so gut läuft im Projekt und wo Verbesserungspotenzial besteht. Umgekehrt gibt sie ihren Mitarbeitenden Feedback. Das Ziel ist unter anderen, dass Probleme möglichst frühzeitig angesprochen werden. Und eine weitere Aufgabe: laufende Prozesse mit anderen Team-Hubs so zu koordinieren, dass sie sich nicht überschneiden, sondern perfekt ergänzen.
Das sind herausfordernde neue Führungsaufgaben, die neue Kompetenzen und auch eine ganz andere Haltung der Führungskraft erfordern. Was raten Sie Unternehmen, damit sich die Führungskräfte dahin entwickeln können?
Sie sollten einen kritischen Dialog initiieren, wie Führungskräfte dazu befähigt werden können, agile Teams zu unterstützen und zu empowern. Wie sie Selbstständigkeit und Selbstorganisation zulassen, fördern und weiter ausbauen können. Ich empfehle daher, im Führungs- beziehungsweise Managementteam regelmäßig das Thema „Führung“ auf die Agenda zu setzen und folgende Fragen kontinuierlich zu reflektieren:
- Wie verstehen wir Führung?
- Wie führen wir gemeinsam?
- Wie entscheiden wir gemeinsam?
- Wie leben wir vor, was wir von unseren Mitarbeitenden erwarten?
Zudem ist es entscheidend, dass die Geschäftsleitung bei den Führungskräften der mittleren Ebene Begeisterung für deren neue Rolle und Aufgaben weckt. Das gelingt, indem sie den Sandwich-Managern die richtigen Führungstechniken an die Hand gibt und sie darüber hinaus stärker in Entscheidungen einbindet. Hierzu ist wiederum erforderlich, dass die mittlere Führungskraft die Ziele der Organisation wirklich kennt und sie hinreichend versteht.
Woran hakt es Ihrer Meinung nach in den Unternehmen am meisten, um das Middle Management für die neuen Aufgaben fit zu machen?
Prinzipiell muss auch der Middle Manager geführt werden. Allerdings ist das Top-Management derzeit unpässlich, weil es in der Transformation stark gefordert ist – etwa durch strategische Planungen und die Digitalisierung des Business. Da bleibt wenig Zeit, auch noch Führungsverantwortung zu übernehmen und dem Sandwich-Manager als Coach zur Seite zu stehen. So bekommen Middle Manager häufig zu hören: „Mach halt mal. Wird schon klappen.“ Leider klappt es aber häufig nicht.