Outdoor Mittelstandsmanager

Operative Ziele, KPIs und Finanzkennzahlen sind wichtig, aber nur mit motivierten und wertgeschätzten Mitarbeitenden zu erreichen

von Bernhard Fanger

Bernhard Fanger blickt auf über 25 Jahre internationale Führungserfahrung zurück. Dabei hat er gelernt, wie wichtig es ist, neben Kennzahlen den Menschen und sich selbst im Blick zu behalten. Wie das insbesondere in mittelständischen Unternehmen gelingt und was die größten Hürden dabei sind, verrät er im Interview.

Was sehen Sie als die großen Führungsherausforderungen, vor allem in mittelständischen Unternehmen?

Ein großer Punkt liegt hier im Zwischenmenschlichen. Im Mittelstand werden besonders häufig Fachkarrieren zu Führungskarrieren, sprich, Mitarbeitende werden aufgrund ihrer Fachkenntnis oder ihrer Historie im Unternehmen befördert. Das passiert, wenn Alternativen fehlen – Stichworte sind hier der Fachkräftemangel oder mangelnde Standortattraktivität. Wenn ich nicht die große Auswahl habe, wen ich befördern kann, schaue ich womöglich nicht danach, ob der oder die Betreffende gerne mit Menschen zu tun hat oder sich da eher schwertut. Mir fällt hier das Beispiel eines Managers ein, der ein sehr kontrollierender Mensch ist, kein Vertrauen in die Leistung seiner Mitarbeiter:innen hat und darum extremes Mikromanagement betreibt. Das verlangsamt Prozesse enorm, demotiviert das Team und gefährdet letztendlich den Erfolg der Abteilung.

Führungskräfte brauchen also ein positives Menschenbild?

Ja, allerdings selbst dann hapert es häufig mit der Kommunikation: Etwa, wenn die Firmenleitung sich längere Zeit über eine Organisationsänderung Gedanken macht, und dann zu einer Entscheidung kommt. Aber wie wird diese Entscheidung ins Unternehmen hinein kommuniziert? Meistens wird sie einfach durchgegeben ans mittlere Management, das im besten Fall ein paar Tage Zeit bekommt, um sich damit zu befassen, bevor die Information weiter in die ganze Organisation geht. So ein Vorgehen überfordert die meisten. Das Top-Management muss schon die Transferleistung erbringen, dass das Thema zwar nicht für sie, aber für alle anderen neu ist, und deswegen die ganze Kommunikation entsprechend anpassen. Oder auch – wenn möglich – die nachgeordneten Ebenen frühzeitig in den Prozess miteinbeziehen. Das ist bei der Produktentwicklung sogar Standard. Denn wenn ein neues Produkt in der Fertigung Probleme bereitet, gibt es sofort hohe Verluste.

Unempathische Top-down-Kommunikation ist eine spezifische Herausforderung des Mittelstandes, weil es oft nur einen Entscheider oder eine ganz kleine Gruppe von Entscheider:innen gibt, die nicht immer daran denkt, das Team mitzunehmen. Konzerne haben für so etwas schon eher eingespielte Prozesse. Meine Erfahrung ist, dass es in kleineren und mittleren Unternehmen mehr „menschelt“ – im Positiven wie im Negativen. Stichwort „Nasenfaktor“: Wer kann mit wem besonders gut oder schlecht, und warum? Darum sind die Beziehungen zwischen den Mitarbeiter:innen und allen Hierarchiestufen hier von noch größerer Bedeutung als im Konzern. Es braucht Plattformen für Austausch und Kommunikation, etwa ein gut genutztes Intranet, Town-Halls oder gemeinsame Führungskräftemeetings. Auch Formate mit Spaßfaktor, ein Sommerfest oder Off-Sites in der Natur, sind sehr gut geeignet, um Netzwerke und bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern.

Müssen auch klassische Führungstools anders oder andere Werkzeuge eingesetzt werden?

Teilweise, ja. In meinen Augen hat vor allem das alte Modell der jährlichen Mitarbeiter:innengespräche ausgedient: Statt sich allein auf jährliche Bewertungen zu stützen, sind regelmäßiges, konstruktives Feedback sowie Chancen zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung gefragt. Weitere Themen sind Autonomie und Partizipation: Autonomie bei der Einteilung der Arbeit und Beteiligung an Entscheidungsprozessen, die Arbeit und Arbeitsumfeld betreffen, sind wichtige Werte. Viele Jüngere messen außerdem Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion große Bedeutung bei. Sie erwarten, dass Unternehmen diese Werte aktiv fördern und in ihrer Unternehmenskultur verankern. Und viele sind auch sehr umweltbewusst und ziehen es vor, für Unternehmen zu arbeiten, die sich für Nachhaltigkeit und ethische Geschäftspraktiken einsetzen.

Aber der wichtigste Faktor, in allen Altersgruppen, ist die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz. Darf ich Fehler machen und auch zugeben, kann ich im Kollegium und bei Vorgesetzten um Hilfe bitten – ohne Angst, mich zu blamieren, Sanktionen zu erfahren oder mich unbeliebt zu machen? Wie ist die Fehlerkultur im Unternehmen generell? Wenn ich ständig über die Schulter schauen und unter ständiger Beobachtung arbeiten muss, hat das einen sehr negativen Einfluss auf meine Produktivität und letztendlich die Verweildauer im Unternehmen.

Buchtipp:
Der Führungshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Bernhard Fanger u.a.
Mehr als 200 Jahre Führungswissen in einem Buch
ISBN 978-3-98640-019-4