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Interview mit Karin Burger: „Man kann nicht immer nur Streams einschalten und drauflos quatschen. Das war vor zwei Jahren noch schick, aber die Zeiten sind vorbei.“

von Karin Burger

Die Vortrags- und Eventbranche hat sich in den letzten Jahren verändert wie kaum eine andere. Karin Burger leitet seit 20 Jahren eine Agentur für Vortragsredner, Rednerinnen, Moderator:innen und Kunstschaffende und verrät im Interview, was sich in dieser Zeit verändert hat und was man heute mitbringen muss, um in dieser Branche erfolgreich zu sein.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! 20 Jahre sind eine lange Zeit. Waren die Pandemie-Jahre die schwierigsten für die Agentur und generell die Vortrags- und Eventbranche?

Vielen Dank. Ja, ein langer Weg bisher mit allen Höhen und Tiefen, die man als Unternehmerin so kennenlernt. Die letzten Jahre waren sicher ein Beschleuniger für viele Entwicklungen, aber im Wandel befindet sich die Branche eigentlich immer – genau wie viele andere. Ich weiß noch, die ersten drei, vier Jahre hatte ich hinter mir eine Deutschlandkarte aus Papier mit einem Styroporhintergrund und Nadeln. Und einen ausgedruckten Outlookkalender. Das war schon supermodern, auch wenn wir noch alles mit Hand eingetragen haben: Anfragen mit Bleistift und dann bei einer festen Buchung mit dem Rotstift. Das hatte fast schon etwas Zeremonielles. Wir haben uns dann trotzdem vor circa fünfzehn Jahren getraut, komplett digital zu werden und uns seitdem einfach immer weiter transformiert. Man könnte also sagen, Transformation ist mein zweiter Vorname, daher sind wir mit der Agentur auch sehr gut durch die Corona-Jahre gekommen. 

Wie das? Gerade zu Beginn wurde ja erst einmal alles abgesagt…

Indem wir einfach sehr schnell reagiert haben, beziehungsweise proaktiv waren. Den Virus habe ich allerdings wie viele andere erst nicht ernst genommen. Als ich jedoch Ende Februar in Heathrow am Flughafen stand, fiel mir auf, dass plötzlich ganz viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern Masken aufhatten. Zu dem Zeitpunkt war in Deutschland in der öffentlichen Diskussion von Corona noch nichts zu hören. Gleichzeitig rief mich eine Kundin an, die bei einem großen Versicherer arbeitet und mir die Info überbrachte, dass intern alle Veranstaltungen gecancelt wurden – und zwar bis Ende des Jahres. „Überleg dir mal, was du machst, wenn es keine Veranstaltungen mehr gibt!“ – so ihre Worte. Mir ist erst einmal schlecht geworden. Als ich mich beruhigt hatte, habe ich meinen sehr guten Freund und großartigen Geschäftspartner Thorsten Jekel angerufen, der ganz pragmatisch sagte: „Na ja, dann machen wir’s halt virtuell.“ Wie das dann genau aussehen könnte und wen wir dafür zusätzlich aus unserem Netzwerk brauchten, haben wir Tag und Nacht an einem Wochenende erarbeitet. Am 3. März schickten wir die erste E-Mail an 5.000 Kunden mit fünf Lösungsvorschlägen, wie sie ihre Veranstaltungen und Weiterbildungen demnächst gestalten könnten. Im April konnten wir bereits zwanzig unterschiedliche virtuelle Formate anbieten. Am 8. Mai gab es in Kooperation mit der Universität Passau das erste virtuelle Event mit über 400 Leuten, die live dabei waren. Ich gebe zu bedenken, dass damals noch kaum jemand eine Kamera hatte. Wir hatten trotzdem bis zu 150 Stornos von Veranstaltungen in dem Jahr, aber eben auch ein komplett neues Geschäftsmodell. 

Irgendwann gab es gefühlt ein Überangebot an kostenlosen virtuellen Veranstaltungen. Die Besucherzahlen wurden immer marginaler. Haben Sie das bei Ihren Veranstaltungen auch bemerkt?

Der zeitliche Vorsprung hat uns tatsächlich geholfen. Außerdem, dass wir mit unserem großen Netzwerk hochkarätige Gäste hatten, einen guten Grafiker und in Fernsehqualität geliefert haben. Man muss den Leuten etwas bieten und sie auch emotional abholen – mit Musik oder Kunst. Bei uns spielte häufig der Pianist und Sänger Tom Friedländer, wir hatten die Poetry Slam Meisterin Dominique Macri dabei und und und. Dafür waren wir in unserer Blase auch schnell berühmt. Man kann nicht immer nur Streams einschalten und drauflos quatschen. Das war vor zwei Jahren noch schick, aber die Zeiten sind vorbei. Ganz zu schweigen von der Online Event Expo, die ich zusammen mit Thorsten Jekel und dem Grafiker Dominik Haf im Herbst 2020 ins Leben gerufen habe. Die größte Speaker Messe mit virtuellen Messeständen, 3 Live-Bühnen und 45 live zugeschalteten Studios. Danach haben wir genau solche Messen und Kongresse auch für Kunden wie Aldi, Toyota, den Naturschutzbund und die Kliniken in München gemacht. 

Das neueste Format nennt sich „Deep Dive“. Ein Vortrag kann das Licht im Kopf einschalten. Und wenn das Licht an ist, können wir weiterarbeiten. Die Leute, mit denen ich arbeite, kommen auch danach in die Unternehmen und vertiefen das dann mit den Mitarbeitenden. Wir haben den Anspruch nicht mehr nur an der Oberfläche zu kratzen, die Zeiten sind zu hart. Es gibt viele große Aufgaben, die zu bewältigen sind in den Firmen. Es ist sehr bezeichnend, dass im Moment das Thema Resilienz unglaublich oft angefragt wird. 

Es gibt zwar wieder Live-Events, aber virtuelle und hybride Formate werden vermutlich nicht mehr ganz verschwinden. Was müssen Vortragsrednerinnen und Redner denn heute mitbringen, um erfolgreich zu sein? 

Das notwendige Skillset, das Redner:innen brauchen, hat sich wirklich stark erweitert. Ich erinnere mich noch an die großen Bühnentalente wie Hans Uwe Köhler, der leider im vergangenen Jahr viel zu früh von uns gegangen ist. Bei 3000 Leuten im Saal konnte man eine Stecknadel fallen hören. Aber auch diese großen Bühnenmenschen müssen heute vor einer Kamera bestehen. Da haben auf jeden Fall die einen deutlichen Vorteil, die schon als Schauspieler oder in anderer Form vor der Kamera gearbeitet haben und das aus dem Effeff beherrschen. Denn ein Auftritt ohne die direkte Reaktion des Publikums ist etwas ganz anderes und eben komplett ohne Blickkontakt. Ich selbst habe mir anfangs auch Wackel-Augen an die Kamera geklebt, um zu trainieren genau dorthin zu schauen und nicht auf den Bildschirm.

Ein Vortrag allein reicht heute außerdem selten. Das Publikum ist mittlerweile daran gewöhnt, eingebunden zu werden, auch bei Präsenzveranstaltungen digitale Medien zu nutzen, an Umfragen über Mentimeter teilzunehmen. Redner:innen müssen sich spontan umstellen können, wenn der Kunde sich einen Tag vorher überlegt, ihn doch nur virtuell dazu zu schalten. Sie oder er braucht daher auch die entsprechende Technik. Up to date zu bleiben ist daher das Wichtigste – sowohl technisch als auch inhaltlich in Bezug auf die eigenen Themen. 

Sie vertreten auch Moderatorinnen und Moderatoren. Brauchen die andere Skills als Vortragsrednerinnen und Vortragsredner? 

ich platziere inzwischen vor allem Moderator:innen, die auch ein eigenes Thema haben und sich selbst in der Außenwirkung dazu thematisch positionieren. Und auch die müssen heute die ganze hybride Technik draufhaben.

Sie sind ja nicht nur Unternehmerin, sondern auch Frau und Mutter. Es wird immer wieder moniert, dass auf der Bühne zu wenig Frauen stehen. Die Vortragsbranche generell ist noch immer sehr Männerlastig, auch wenn man eine Veränderung spürt. Wie haben Sie sich in dieser Branche so lange durchgesetzt?

Ich habe selbst sehr gute Frauen in meinem Netzwerk, die auch gut gefragt sind. Nicht, weil sie Frauen sind, sondern weil sie top sind. Ich selbst habe ein sehr gutes Vorbild mit meiner Mutter, die sich mit 84 noch mal selbstständig gemacht und neu verliebt hat. Da habe ich quasi schon wilde Gene und kenne nichts anderes als die Selbstständigkeit. Ich kann Frauen nur raten, alle Aufgaben mit dem Partner wirklich aufzuteilen. Zur Not über Listen oder einen gemeinsamen Kalender. Außerdem: Holt euch Hilfe! Traut euch zu sagen: „ich schaffe es nicht.“ Stellt den Staubsauger neben die Tür und wenn jemand kommt, sagt: „Ach, schön, dass du da bist. Gerade wollte ich staubsaugen.“ Es muss nicht immer alles perfekt sein und wenn man eine Stunde Zeit hat zu Hause, ist es viel schöner mit den Kindern Mikado zu spielen als den Haushalt zu schmeißen.

Wenn Sie Menschen, die gerne auf die Bühne wollen, nur einen Rat geben dürften, welcher wäre das?

Nehmt den Lack ab! Wir alle wollen Menschen auf Bühnen sehen – authentische Menschen. Das Wort ist ausgelutscht, aber es gibt gerade noch kein besseres. Wir wollen Geschichten hören und nicht das Zitat von irgendeinem anderen. Wir wollen keine Buchtipps, sondern wir wollen hören, warum unserem Gegenüber dieses Buch gefallen hat. Wir wollen keine fünf Tipps zu einem glücklichen Leben, wir wollen lieber hören, wie er oder sie etwas gemacht hat, auf die Nase gefallen und wieder aufgestanden ist. Dann kann sich ein Publikum mit dem Menschen verbinden. Zeigt, wer ihr seid, erzählt eure Geschichten und lernt, wie man Geschichten erzählt. Das ist das Einzige, das wirklich funktioniert.