Nach oben führen – wie Sie vom Chef bekommen, was Sie brauchen
Führungskräfte führen nicht nur ihre Mitarbeiter, sondern auch den oder die eigenen Vorgesetzten. Das wird gemeinhin als Cheffing bezeichnet, ist stets heikel und erfordert viel Takt. Wer daher lieber die Finger davon lässt, scheitert schnell in seiner Rolle als Führungskraft. Denn sich „nach oben“ durchzusetzen ist notwendig, zum Beispiel um für das eigene Team wichtige Rahmenbedingungen für gute Leistungen zu schaffen.
Zwei Konstellationen spielen bei der Führung der oder des Vorgesetzten eine wichtige Rolle: Zum einen muss man sie oder ihn immer wieder zu Entscheidungen bewegen, damit die tägliche Arbeit vorankommt und die Abteilungsziele erreicht werden können. Zum anderen geht es aber auch darum, Unterstützung für eigene neue Ideen oder Ziele zu bekommen.
Cheffing: „Selbst mit Gewalt kann man einen Bullen nicht melken.“
Je höher man in den Rängen eines Unternehmens aufsteigt, desto weniger kommt es auf Inhalte und Argumente an, um die eigenen Vorstellungen umzusetzen. Eine erfolgreiche Strategie setzt daher erst einmal voraus, zwischen den Hierarchiestufen zu unterscheiden: Ist der direkte Vorgesetze im mittleren Management oder auf der Topebene, also Teil des Vorstands oder der Geschäftsleitung? Und noch eins: Versuchen Sie nie Ihren Chef zu ändern. Akzeptieren Sie ihn, wie er ist. Ändern werden Sie ihn nicht. Das heißt aber nicht, dass er Ihnen kein guter Partner zum erreichen Ihrer Ziele sein kann.
Mittleres Management: Beschützer der eigenen Mannschaft
Im mittleren Management ist die Aufgabe noch recht klar: gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestimmte Ergebnisse erreichen. Damit die überhaupt erzielt werden können, müssen allerdings die Rahmenbedingungen stimmen. Das Team muss konzentriert arbeiten können und darf nicht dauernd durch Fremdeingriffe von den eigentlichen Aufgaben abgehalten werden. Die Führungskraft ist der Beschützer der eigenen Mannschaft. Wer einen produktiven Rahmen nicht alleine setzen kann, benötigt die Unterstützung des Vorgesetzten. Das gilt auch für Individuen, die beispielsweise andere Bedingungen am Arbeitsplatz brauchen, um produktiv arbeiten zu können.
In diesen Fällen gilt: Suchen Sie das Gespräch mit dem Chef. Signalisieren Sie, dass Sie selbst oder mit Ihrer Mannschaft grundsätzlich hinter den vorgegebenen Zielen und Strategien stehen und machen Sie deutlich, welchen Part Sie oder Ihr Team dabei spielen. Für das Mittlere Management gilt stets die Devise: Seien Sie der Problemlöser für Ihren Chef. Zeigen Sie dann auf, was Sie dafür benötigen, um ans Ziel zu gelangen. Beschreiben Sie den Bedarf, legen Sie Vorschläge vor, bringen Sie innovative Ideen ein – überlassen Sie die Entscheidung dann jedoch Ihrem Chef oder Ihrer Chefin.
Spielen über Bande im Topmanagement
Auf den Ebenen darüber herrschen ganz andere Spielregeln. Statt klarer Argumente, kommt es vielmehr auf gekonnte Einflussnahme an und ein geschicktes „über die Bande“ spielen. Für manche ist dieser Wechsel ins Topmanagement ein riesiger Kulturschock, denn plötzlich spielen die emotionalen Beziehungen der Handelnden untereinander eine viel größere Rolle und man steht auf einmal einem komplexen Beziehungsgefüge gegenüber mit vielfältigen gegenseitigen positiven und negativen Einflussnahmen. Vergleichbar mit einem Ökosystem, einem Waldrand zum Beispiel:
Die Besonderheit des Ökosystems liegt darin, dass es sich selbst regelt und steuert. Grundlage für diese Selbststeuerung sind ausgewogene Interferenzbeziehungen, ein ausgeprägtes Anpassungsvermögen von Einzelorganismen, Populationen und Lebensgemeinschaften sowie der Ringschluss von Produzenten, Konsumenten und Reduzenten im biologischen Stoffkreislauf. Dank seiner engen Vernetzung ist dieses System aus Querbeziehungen, Nahrungsketten und Informationsübertragungen auch sehr stabil. Um den Vorteil eines Ökosystems nutzen zu können, geht es darum, das komplexe Zusammenspiel zu erkennen und zu verstehen, eben vernetzt zu denken.
Viele Wege führen zum Ziel
Dass alles komplex miteinander verwoben ist, bringt einen enormen Vorteil mit sich, wenn man die Verflechtungen durchschaut und sie sich vielleicht sogar in einem Beziehungsdiagramm aufmalt: Das System lässt sich über unterschiedliche Ansatzpunkte beeinflussen und in eine gewünschte Richtung lenken. Um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, ist es daher nicht notwendig (und auch nicht immer sinnvoll), direkt auf die Zielgrößen einzuwirken. Stattdessen kann man – wie beim Billard mit der weißen Kugel – auch „über die Bande spielen“ und indirekt steuern.
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