social media mit tiefe

Videos sind auf Social Media nicht immer das beste Mittel, um Nähe und inhaltliche Tiefe herzustellen

von Celine Nadolny

Celine Nadolny ist eine der sichtbarsten Stimmen für fundierte Finanzbildung auf Instagram und LinkedIn. Mit ihrem Projekt »Book of Finance« bringt sie komplexe Finanzthemen und über 900 Sachbücher dorthin, wo Menschen heute lernen: in die sozialen Medien.

Wie lässt sich bei der Kommunikation über Social Media echte Nähe herstellen, die sich für beide Seiten stimmig anfühlt, ohne anbiedernd oder künstlich zu wirken?

Das ist eine wirklich spannende Frage – und ehrlich gesagt habe ich mir diese noch nie bewusst gestellt. Vielleicht liegt das daran, dass ich von Anfang an einfach ich selbst war. Ich habe mich nie verstellt oder großartig überlegt, wie ich Nähe erzeugen kann. Ich war immer nur Celine – mit all meinen Gedanken, Zweifeln, Ideen und auch mal mit kleinem Chaos im Kopf. Gerade in der Anfangszeit habe ich meinen Followern gegenüber oft gesagt: »Ich habe gar keine Zeit, mir eine Kommunikationsstrategie zurechtzulegen. Ich muss mir nicht überlegen, wie ich wirken möchte – ich bin einfach so, wie ich bin.« Das mag auf den ersten Blick unproffessionell klingen, aber für mich war das immer der ehrlichste Weg. Nähe entsteht meiner Meinung nach nicht durch perfekte Formulierungen, sondern durch Authentizität und Wiedererkennbarkeit.

Und das auch ohne Reels, in denen man selbst spricht. Ich glaube, es ist ein Missverständnis, dass Nähe nur über Ton oder Bewegtbild entsteht. Als leidenschaftliche Leserin weiß ich, wie tief Sprache wirken kann, wenn sie gut geschrieben ist. Manche Bücher haben mich auf eine Weise berührt, wie es ein Video niemals könnte. Ich fühlte mich den Autor:innen oft so nah, als säßen sie mir direkt gegenüber.

Und genau das empfinde ich auch bei meiner Arbeit. Die Vorstellung, dass schriftliche Kommunikation distanziert sei, ist ein rein extrovertiertes Konzept. Ich bin introvertiert – und für viele aus meiner Community gilt dasselbe. Schriftlich entsteht oft sogar mehr Tiefe. Ich kann mich präziser ausdrücken, Missverständnisse vermeiden und auf einem ganz anderen Level in Resonanz treten. Ich glaube, Nähe entsteht immer dann, wenn man sich verletzlich zeigt – oder zumindest ehrlich. Deshalb ist meine Kategorie »Fail des Monats« im Newsletter auch so beliebt. Sie zeigt, dass nicht alles perfekt läuft – auch bei mir nicht. Und genau das schafft Verbindung. Ich nehme meine Community oft mit in Prozesse, die noch nicht abgeschlossen sind. Ich teile Gedanken, Zweifel und Perspektivwechsel – auch, wenn ich noch keine endgültige Meinung habe. Das öffnet den Raum für echte Gespräche und Feedback.

Ob etwas resoniert, merke ich an der Art der Kommentare: Kommen nur Emojis oder entsteht ein echter Austausch? Wie oft wird ein Beitrag gespeichert oder geteilt? Oder bekomme ich vielleicht sogar persönliche Nachrichten, in denen mir Menschen erzählen, was mein Beitrag bei ihnen ausgelöst hat? Diese Rückmeldungen sind für mich das ehrlichste Feedback.

Wann fühlst du dich persönlich wirklich angesprochen – sei es von einem Beitrag, einer Caption oder einem Video? Was berührt dich dabei: der Inhalt, die Sprache, die Haltung?

Mich berührt vor allem Authentizität. Ich merke sofort, wenn etwas ehrlich gemeint ist – und genauso, wenn es nur SEO-getriebener Clickbait ist. Gerade auf LinkedIn sind gefühlt 90 Prozent der Texte mittlerweile generiert – und das merkt man. Es sind die Zwischentöne, die mich ansprechen. Wenn jemand schreibt, wie er wirklich denkt, nicht wie es »performen« könnte. Wenn jemand Haltung zeigt, auch auf die Gefahr hin, damit anzuecken. Und wenn ich merke, dass hinter den Worten ein Mensch steht – nicht nur ein Algorithmus.

Schriftliche Kommunikation lässt viel Raum für Interpretation. Wie gehst du mit Missverständnissen oder Projektionen um – wenn das, was du sagen wolltest, ganz anders bei jemandem ankommt?

Ganz ehrlich: Ich glaube, dieses Problem gibt es in jeder Form der Kommunikation – nicht nur schriftlich. Auch in Podcasts, Videos oder Gesprächen kommt es regelmäßig zu Missverständnissen. Am Ende liegt das Problem meist nicht beim Sender, sondern beim Empfänger. Denn wir alle hören, was wir hören wollen – durch unsere eigenen Filter, Erfahrungen und Überzeugungen.

Ich versuche dem durch ausführliche, gut kontextualisierte Inhalte entgegenzuwirken. Je klarer ich ein Thema ausleuchte, desto weniger Raum bleibt für Fehlinterpretationen. Und wenn es doch passiert? Dann erkläre ich gern meine Sichtweise – auch mehrfach. Leider stelle ich dabei aber immer wieder fest, dass viele Menschen an ihrer ersten Interpretation festhalten, selbst wenn sie erkennen, dass sie falsch lagen. Das ist schade – aber auch menschlich.

Du bist auf mehreren Plattformen aktiv – LinkedIn, Instagram, X. Kommunizierst du dort unterschiedlich, je nachdem, wen du erreichen willst? Oder bleibt dein Ton immer gleich?

Mein Ton bleibt gleich – immer. Das war nicht immer leicht. Gerade früher habe ich dafür viel Kritik bekommen. Auf Xing zum Beispiel kamen meine lebensfrohen Bilder überhaupt nicht gut an. Ich wurde beschimpft, belächelt und musste viele Nutzer blockieren. Aber ich habe mich davon nicht beirren lassen.

Mit der Zeit habe ich Plattformen, die nicht zu mir passen, einfach losgelassen – wie eben X. Heute sind mein Blog, Linkedin, mein Newsletter und Instagram mein Zuhause. Dort kann ich mich zeigen, wie ich bin. Und genau das zieht die richtigen Menschen an – und stößt die falschen ab. Bei klassischen Presseformaten oder Gastbeiträgen passe ich meinen Ton ein wenig an – dort schreibe ich etwas sachlicher. Aber das ist dann auch ein anderer Kontext.

Muss man ständig alle Trends im Blick haben in Sachen Algorithmus – oder ist doch eher Content King und Beständigkeit?

Ich wünschte, ich könnte sagen: Content is King. Aber das wäre schlichtweg nicht ehrlich. Klar, gute Inhalte sind wichtig – aber ohne ein Gefühl für den Algorithmus kommt man nicht weit. Man muss wissen, welche Formate gerade funktionieren, welche Themen performen und wie die Plattformen ticken.

Aber das bedeutet nicht, dass man sich verbiegen muss. Ich sehe das eher wie ein Zusammenspiel: Algorithmus, Community und Authentizität müssen in Balance sein. Ich selbst bin nie auf TikTok gegangen, weil ich mit der Art des Contents dort einfach nichts anfangen kann. Das ist nicht mein Stil – und das muss es auch nicht sein.

Warum überhaupt über Bücher auf Social Media sprechen, wo doch alle nur in Happen konsumieren? Was glaubst du: Warum legen Menschen trotzdem Wert auf Buchempfehlungen?

Auch wenn vieles in den sozialen Medien auf Schnelllebigkeit ausgelegt ist – es gibt eine wachsende Gegenbewegung. Viele Menschen sehnen sich nach Tiefe, nach Orientierung, nach etwas Dauerhaftem. Genau hier kommen Bücher ins Spiel.

Ich glaube, Bücher sind wie gute Gespräche: Sie verändern uns, wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen. Manchmal ist ein Buch der Anker, den man braucht, wenn sich alles andere nur noch nach Durchrauschen anfühlt. Und bei der Masse an Publikationen – oft ohne Qualitätskontrolle – braucht es heute mehr denn je jemanden, der kuratiert, einordnet und Empfehlungen ausspricht, denen man vertrauen kann. Genau das versuche ich zu sein.

Buchtipp:
Der Kommunikationshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Marc Saha u.a.
ISBN 978-3-98640-030-9