
Wenn wir die Welt mitgestalten wollen, ist unsere Stimme dafür ein wichtiges Werkzeug
Monika Hein arbeitet an der Schnittstelle zwischen Persönlichkeitsentwicklung, Empathie und stimmlichem Selbstbewusstsein. Mit ihrer Arbeit sorgt sie dafür, dass Menschen sich über die eigene Stimme näherkommen und anderen authentisch begegnen.
Warum lohnt es sich, die eigene Stimme ganz bewusst zu entwickeln?
Weil die Stimme ein enorm wirkungsvolles – und oft unterschätztes – Element unserer Kommunikation ist. Sie drückt unsere innere Haltung aus. Und genau das macht sie so kraftvoll. Trotzdem nehmen viele sie nur am Rand wahr und vergessen, wie viel sie transportiert. Nicht umsonst sagen wir: »Stimme macht Stimmung.« So ist es.
Auch im gesellschaftlichen Kontext entfaltet sie ihre Wirkung. Man muss nur Politiker:innen zuhören: Wie sie sprechen, beeinflusst, wie Menschen, die ihnen zuhören, denken. Ihre Stimmen erzeugen Stimmungen, sie bauen Nähe oder Distanz auf, sie überzeugen oder schrecken ab.
Und das gilt nicht nur für die große Bühne. Auch im Alltag entscheidet unsere Stimme darüber, ob wir gehört werden, ob wir Vertrauen schaffen oder ob wir in Kontakt treten. Wir haben auf der einen Seite die Inhalte: Was sage ich? Und auf der anderen Seite die Stimme: Wie trage ich das nach außen? Beides gehört zusammen. Ganz besonders wichtig ist das in der Erziehung und in der Beziehung. Der Ton macht bekanntlich die Musik und prägt unser Miteinander.
Stimme bedeutet Kontakt, Wirkung, Nähe und auch Empathie in ihrer hörbaren Form. Deshalb lohnt es sich sehr, die eigene Stimme bewusst zu entwickeln. Oft entscheidet sie darüber, ob Worte einfach verhallen oder ob echte Verbindung wächst. Und genau darin liegt mindestens die halbe Miete.
Was passiert in uns, wenn wir mit Druck oder mit Wärme sprechen – also wie wirkt unsere Stimme auf andere?
Unsere Stimme wirkt immer in zwei Richtungen – nach außen und nach innen. Wenn ich mit Druck spreche, spürt nicht nur mein Gegenüber diesen Druck. Auch in mir selbst baut sich Spannung auf. Mein Körper geht in Alarmbereitschaft, die Atmung wird flacher, die Stimme enger. Ich bringe mich also selbst in einen angespannten Zustand. Im Grunde ist die Arbeit an meiner Stimme also auch eine Form des Selbstmanagements. Wenn ich mit Wärme spreche, entsteht auch in mir Ruhe. Der Atem fließt freier, der Körper entspannt sich – und genau das kommt auch beim anderen an.
Und wie können wir unsere innere Haltung über die Stimme verändern – oder umgekehrt?
Ich kann über meine Haltung entscheiden, also sagen: »Ich will jetzt ruhig wirken, ich will jetzt klar sein.« Und wenn ich das tue, verändert sich oft auch mein Stimmklang. Andersherum kann ich über meine Stimme etwas regulieren: Wenn ich langsamer, ruhiger spreche, merke ich, dass sich mein Inneres beruhigt. Es ist also beides möglich – von innen nach außen und von außen nach innen.
Dazu fällt mir ein schönes Beispiel ein aus einer Feedback-Mail eines Paars: Sie haben es nach einem Vortrag von mir geschafft, einen tagelang schwelenden Konflikt aus der Welt zu schaffen – einfach, indem sie sich beide um einen warmen, liebevollen Ton bemüht haben. Man könnte also sagen, dass die Beschäftigung mit der Stimme Frieden zwischen Menschen herstellen kann. So berührend!
Welche Rolle spielt der Atem in diesem Zusammenhang?
Der Atem ist die Basis von allem. Ohne Atem entsteht physikalisch keine Stimme. Er bringt die Stimmlippen zum Schwingen und verbindet den Körper mit dem Geist.
Der Atem zeigt sofort, wie es uns geht: Ob er ruhig fließt oder stockt, ob er flach ist oder gehetzt. Gerade in Stresssituationen halten viele Menschen unbewusst die Luft an – dann wird die Stimme eng, höher oder brüchig.
Wenn wir bewusst atmen, regulieren wir uns selbst. Nicht, um perfekt zu klingen, sondern um uns wieder zu spüren. Der Atem holt uns aus dem Kopf zurück in den Körper. Und das hört man: Die Stimme wird voller, ruhiger, klarer.
Für mich ist der Atem wie eine Brücke zwischen innen und außen. Er verbindet, was ich fühle, mit dem, was ich sage. Deshalb beginne ich jede Stimmarbeit mit dem Atem. Er bringt Klarheit – besonders da, wo vorher Druck oder Unsicherheit war.
Viele haben den Anspruch, perfekt klingen zu wollen. Wie können wir diesen Perfektionismus loslassen?
Ja, viele Menschen glauben, ihre Stimme müsse perfekt sein. Aber Perfektion ist eine Illusion. Es gibt keine perfekte Stimme – und auch keinen objektiven Maßstab dafür. Der eine mag eine Stimme, der andere nicht. Stimme ist immer auch Geschmack.
Wenn wir uns frei machen vom Urteil anderer und anfangen, uns selbst als wertvoll zu betrachten – unabhängig davon, was andere sagen –, dann wird es leichter. Perfektionismus bedeutet oft: Ich will perfekt sein, damit andere mich mögen, damit sie keinen Angriffspunkt finden. Aber das macht uns abhängig vom Außen.
Die Frage lautet: Kann ich mich selbst wertschätzen, auch wenn mich jemand nicht mag? Kann ich an meinem Wert festhalten – egal, was andere denken? Das ist ein Prozess, der immer wieder neu bewusstwerden will. Auch ich habe lange gebraucht, meine Stimme unabhängig vom Urteil anderer zu machen. Als ich noch mehr als Sprecherin arbeitete, war das noch anders, da nahm ich mir jegliche Bewertung sehr zu Herzen. Seitdem ich das weglasse, ist mein stimmlicher Ausdruck gewachsen.
Es ist stimmlich hörbar, wenn jemand einfach nur gefallen möchte. Ganz praktisch hilft es in so einem Fall zum Beispiel, kurze Sätze zu sprechen. Wer perfekt sein will, redet oft in langen Bandwurmsätzen, will alles richtig machen und verliert sich dabei. Kurze, klare Aussagen, ein Punkt – und atmen. Wieder bei sich ankommen. Das bringt die Stimme zurück in den Körper und entspannt den ganzen Ausdruck.
Und: Das ist nichts, was man einmal versteht und dann für immer kann. Ich nenne das diese inneren Bedingungen für den eigenen Wert »auseinanderzupfen«. Wir müssen es uns immer wieder bewusst machen: Mein Wert hängt nicht davon ab, was andere von mir halten. Diese Schleife läuft so schnell ab in uns – da braucht es immer wieder kleine Stopps, immer wieder bewusstes Umdenken. Ich kann mir in dem Fall auch eine Formel sagen: Mein Wert hat nichts mit meiner Perfektion zu tun. Mein Wert hängt nicht davon ab.
Buchtipp:
Der Kommunikationshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Monika Hein u.a.
ISBN 978-3-98640-030-9