
Zahlen überzeugen erst durch die richtigen Vergleiche, Bilder oder Emotionen
Als analytischer Zahlenmensch mit über 20 Jahren Fach- und Führungserfahrung im Bereich Finanzen und Controlling arbeitet Viola Restle seit mehr als 10 Jahren selbstständig als Interim-Managerin. Durch ihre Begeisterung fürs Kreative ist sie als Präsentationstrainerin, Rednerin und Improspielerin aber auch auf Bühnen zu Hause und setzt sich dafür ein, langweilige Präsentationen und Tabellenwüsten aus unserer Arbeitswelt zu verbannen.
Bei Zahlen schalten viele direkt ab. Woran liegt das und warum ist das Präsentieren von Zahlen so herausfordernd?
Zahlen sind abstrakt und das Areal für abstraktes Denken in unserem Gehirn sehr klein und langsam. Keine guten Voraussetzungen also für eine spannende Präsentation, wenn es in ihr hauptsächlich um Kennzahlen und Co geht. Es gibt aber Wege, sein Publikum trotzdem mitzunehmen und zu begeistern. Der Kognitionspsychologen Daniel Kahneman unterteilt unser Gehirn in zwei Systeme: in unser schnelles und in unser langsames Denken. Zum ersten, dem sogenannten System eins, gehört beispielsweise, dass wir bei Betreten eines Raumes sofort erkennen, welches Objekt größer und welches kleiner ist oder welcher Stuhl uns am nächsten steht. Darunter fällt ebenfalls, dass uns dieses System automatisch mit dem Auto auf der bekannten Strecke nach Hause leitet, selbst wenn wir in Gedanken versunken sind. Das schnelle Denken läuft meist unbewusst ab und ist multitaskingfähig. Seine Kapazitäten sind schier unbegrenzt.
Das langsame Denken, System zwei, ist für anspruchsvollere Aufgaben zuständig und läuft bewusst ab. Entscheidend dabei: Es kann sich immer nur auf eine Sache konzentrieren, zum Beispiel auf die einfache Multiplikation von 7 mal 15. Rechnet der Kopf schon? Oder – um beim Autofahren zu bleiben – unterhalten wir uns am Steuer ganz entspannt mit unserem Beifahrer und stellen auf einmal fest: »Oh Mist, wir müssen da vorne links abbiegen, aber auf der linken Spur herrscht reger Verkehr.« Dann garantiere ich, dass in diesem Moment das Gespräch verstummt. System zwei übernimmt das Steuer, um abzubiegen. Smalltalk parallel ist nicht mehr drin.
Die wichtigste Erkenntnis für Präsentierende daraus ist daher: Wenn wir System zwei ansprechen, setzen wir unseren Zuhörer:innen Scheuklappen auf. Das Publikum kann dann nur noch über dieses eine Thema nachdenken – und zwar langsam und konzentriert. Abstrakte Zahlen sprechen immer dieses System an und eine Tabelle voller Zahlen potenziert dieses Dilemma.
Tabellen zu präsentieren ist also keine gute Idee…
Nein, Tabellen haben in einer Präsentation nichts zu suchen. Beim Anblick einer solchen denkt ein Teil des Publikums gleich »Oh nein, jetzt wird es langweilig« und lässt die Gedanken schweifen. Noch fataler wirken sich Tabellen allerdings auf die (wenigen) zahlenaffinen unter den Zuhörer:innen aus: Diese vertiefen sich in ein für sie spannendes Detail und während sie mit System zwei vielleicht gerade ausrechnen, wie viel Umsatz das Unternehmen pro Angestelltem macht, bekommen sie überhaupt nicht mit, was der Redner über die Umsatzentwicklung in Asien erzählt.
Neben dieser kognitiven Herausforderung, vor der wir beim Präsentieren von Zahlen stehen, gibt es aber noch eine weitere: Zahlenmenschen, also die Menschen, die sie in der Regel präsentieren müssen, gehören selten zu den Menschen, die das mit Leidenschaft tun. Sie sind analytisch stark, sehr präzise, aber nicht unbedingt die geborenen Kommunikatoren. Sie können jedoch einer Präsentation vor größerem Publikum nicht immer aus dem Weg gehen, zum Beispiel bei Jahresabschlusspräsentationen. Das ist auch gut so, denn Zahlen sorgen in Unternehmen für Transparenz und liefern Entscheidungsgrundlagen und wichtige Erkenntnisse – auch für die weniger zahlenaffinen Bereiche. Daher ist es umso wichtiger, dass die Daten so präsentiert werden, dass Teammitglieder aus allen Bereichen sie verstehen und sie bei ihren Entscheidungen berücksichtigen können.
Wie gehe ich am besten vor, wenn ich Daten präsentieren muss?
Der erste Schritt zu einer guten Präsentation ist immer zu überlegen, welches Ziel man mit ihr verfolgt und was ihre Kernaussage sein soll.
Diese Vorarbeit ist entscheidend. Als erste Reaktion dazu fallen von den meisten allerdings Aussagen wie: »Ich muss halt den Jahresabschluss präsentieren, weil es meine Chefin oder mein Chef will« oder »Ich informiere einfach nur«. Diese Herangehensweise ist eine verschenkte Chance. Controller und Co sind die Experten ihres Bereiches, die verstehen, was wirklich hinter den Zahlen steckt und welche Auswirkungen sie aufs Unternehmen haben. Frage dich daher vor jeder Präsentation oder auch vor Meetings: Was sagen deine Zahlen aus? Was ist die Kernaussage der Zahlen und damit auch deine? Und welche Zahlen unterstreichen diese Aussage am besten? Für die anderen Zahlen gilt: weglassen. Dann benötigst du auch keine Tabelle mehr.
Zahlenmenschen begehen oft den Denkfehler, es sei offensichtlich, was die Zahlen aussagen. Für mich als Controller mag es klar sein, dass die Eigenkapitalquote sinkt, wenn ich ein neues Darlehen aufnehme, um davon Autos zu kaufen. Und auch, was das für andere Bereiche des Unternehmens bedeutet. Was für den einen selbstverständlich ist, ist anderen oft nicht bewusst. Wir müssen solche Zusammenhänge daher deutlich machen, aber eben nicht mit einer bloßen Aneinanderreihung von Zahlen, sondern deren Interpretation.
»Es ist eine große Falle der Finanz- und Zahlenmenschen, beziehungsweise aller Fachleute: Sie sind so in ihrem Thema drin, dass sie nicht mehr realisieren, wo sie andere abholen müssen.«
Buchtipp:
Der Kommunikationshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Viola Restle u.a.
ISBN 978-3-98640-030-9