Unterschiedlichkeit in der Führung

So lernen Führungskräfte Unterschiedlichkeit verstehen, schätzen und einzusetzen

von Uta Rohrschneider

Uta Rohrschneider berät ihre Kunden bei der Konzeption, Implementierung und Umsetzung von HR- und Führungsinstrumenten, Personalentwicklungsprozessen und der Diagnostik. Seit mehreren Jahren ist sie aktiv an der Weiterentwicklung des LUXX Personalitytoolsets beteiligt, das Führungskräften die individuelle und motivorientierte Führung von Menschen erleichtert​.

Für alle, für die Persönlichkeitsprofile neu sind, können Sie kurz erläutern, was das genau ist?

Es gibt natürlich viele unterschiedliche Persönlichkeitsfragebögen, aber nicht alle sind standardisierte psychologische Tests. Die wissenschaftlich fundierten dürfen sich Persönlichkeitstest nennen. LUXX wurde an der Universität Luxemburg entwickelt und hat ein entsprechendes wissenschaftliches Manual. Wie andere Verfahren auch, ist es ein Selbstbeschreibungsfragebogen. Aus den Antworten ergibt sich ein individuelles Motivationsprofil. Es beschreibt die Persönlichkeit anhand von sechzehn autonomen Lebensmotiven. Motive oder Motivation verstehen wir hier als das Anstreben eines positiven Zielzustands.

Diese Motive wirken unabhängig davon, ob sie uns bewusst sind oder nicht. Das bedeutet, dieses Tool fragt nicht nach Kompetenzen, Verhalten, Stärken oder Schwächen, sondern ergründet, warum sich ein Mensch so verhält, wie er sich verhält. Warum er vielleicht sogar etwas tut, obwohl ihm andere schon gespiegelt haben, dass sie dieses Verhalten ablehnen. Die Motive liegen jedem Verhalten zugrunde und nicht nur das: Sie bilden die Basis unserer emotionalen Wahrnehmungen, unseres Fühlens, Denkens und unseres Handelns. Sie geben uns unbewusste emotionale Impulse, in eine bestimmte Richtung zu handeln. Nämlich in die, durch die wir unsere individuell ausgeprägten Motive befriedigen können. In diesem Sinne sind wir alle egoistisch. Wir wollen, dass es uns gut geht. Das ist mit dem Erreichen „eines positiven Zielzustandes“ gemeint.

Die Kompetenzen der Mitarbeiter:innen sind also eher zweitrangig?

Natürlich ist es für eine gute Leistung auch wichtig, was Mitarbeitende können, aber das sind ganz andere Fragen, die auch anders beantwortet werden müssen. Unsere Motive bedingen letztendlich, was uns leicht und was uns schwerfällt. Fällt mir etwas leicht, wiederhole ich es oft und entwickle so bestimmte Kompetenzen. Mit der Erkenntnis über die eigenen Motivausprägungen bekommen Führungskräfte so beispielsweise einen gezielten Einblick, an welchen Stellen sie noch bewusst Kompetenzen aufbauen müssen – bei sich selbst und bei ihren Mitarbeiter:innen. Das sind genau die Handlungsfelder, die die Führungskraft aus sich selbst heraus oder die Mitarbeiter:innen aus sich heraus nicht gerne machen. Die Sachen bleiben einfach immer liegen, werden auf den letzten Drücker erledigt, immer lustlos und – wen wundert’s – meist nicht gut.

Wenn Führungskräfte motivierte Mitarbeiter:innen wollen, müssen sie ihr eigenes Motivationsprofil reflektieren und lernen, welche Kompetenzfelder sie für eine leistungsfördernde, motivorientierte Führung ausbauen müssen. Um sie darin zu unterstützen, gibt es sogar besondere Fokus-Auswertungen im Personalitytoolset, mit Fokus auf Führung, die verdeutlicht, wie sich meine Motivausprägungen auf mein bevorzugtes Führungsverhalten auswirken. Oder mit Fokus auf die Mitarbeiterführung, die beschreibt, wie ich Mitarbeiter:innen mit den unterschiedlichen Motivausprägungen leistungsfördernd führe.

Das bedeutet, auch Führungskräfte tun sich vermutlich schwer mit Teammitgliedern, die gegensätzliche Motive haben, als sie selbst, oder?

Ja, völlig richtig, da sie die andere Herangehensweise emotional nicht nachvollziehen können. Strukturierte Menschen beispielsweise haben nie erlebt, dass es schön ist, spontan und flexibel zwischen Aufgaben hin und her zu springen. Verfügt eine solche Führungskraft über einen sehr spontanen und flexiblen Mitarbeiter, der sich aus ihrer Sicht einfach nur chaotisch benimmt, wird sie vielleicht zu dem Schluss kommen, dass man mit dem nichts anfangen kann. Andersrum genauso: Eine sehr spontane Führungskraft fragt sich bei ihren sehr strukturierten Mitarbeitenden vielleicht, wann sie denn mal mit dem Planen aufhören und mit dem Arbeiten anfangen wollen.

Die Leistung wird abgewertet. Führungskräfte behaupten zwar gerne, dass sie aufs Ergebnis und nicht auf den Weg schauen, aber in Wirklichkeit schauen wir alle auch darauf, wie ein Mensch Aufgaben erledigt. Deshalb ist es sinnvoll, sich mit seinen eigenen Motiven zu befassen und als Führungskraft auch mit denen der Mitarbeitenden. Alle sprechen gerne vom Wert der Diversität. Diversität mit dem Team zu leben, bedeutet mit dem Team herauszuarbeiten, welche emotionalen Gemeinsamkeiten und welche emotionalen oder motivatorischen Unterschiede im Team vorhanden sind, was diese bedeuten und wie sie dem Team nützen. Auch die Frage gehört dazu: Was brauchen Mitarbeiter:innen, die anders sind als ich, von mir als Führungskraft oder den anderen Teammitgliedern an Rahmenbedingungen, an Arbeitsmitteln, an Aufgaben und an Kommunikation. Menschen zu führen, die einem ähnlich sind, ist leicht. Bei allen anderen macht man, trotz bester Absicht, intuitiv alles falsch.

Buchtipp:
Der Führungshappen
Jana Assauer und Mona Schnell (Hrsg.) im Interview mit Uta Rohrschneider u.a.
Mehr als 200 Jahre Führungswissen in einem Buch
ISBN 978-3-98640-019-4