Volkswirtin Beatrix von Rantzau treibt schon lange die Frage um: Wie kann Vereinbarkeit von Familie und Karriere für Frauen und Männer gelingen? Im Montagshappen Interview spricht sie über aktuelle Zahlen, die Notwendigkeit, den Gender Pay Gap zu schließen und über den Equal Pay Day.
1. Haben Sie aktuelle Zahlen, was die Bezahlung von Frauen und Männern angeht?
Nach den aktuellsten Zahlen des statistischen Bundesamts liegt der durchschnittliche Brutto-Stundenverdienst von Frauen in Deutschland 21 % unter dem der Männer. Das ist der unbereinigte Gender Pay Gap. Mit diesem Wert liegt Deutschland auf dem drittletzten Platz aller EU-Mitgliedstaaten.
Rechnet man heraus, dass Frauen häufiger in niedriger bezahlten Berufen sowie in Teilzeit arbeiten, bleibt immer noch ein bereinigter Gap von 6 %. Ob der darauf zurück zu führen ist, dass Frauen schlechter verhandeln oder darauf, dass sie als Mütter das Ausfallrisiko für Arbeitgeber tragen, spielt keine Rolle. Es ist einfach nicht fair.
2. Warum müssen wir heute immer noch darüber diskutieren, dass wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit brauchen?
Das frage ich mich auch. Es sollte selbstverständlich sein. Frauen und Männer sind unterschiedlich und haben ihre individuellen Stärken. Aber es kann nicht sein, dass sie für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation schlechter bezahlt werden. Dafür gibt es einfach keine vernünftigen Gründe. Mit dem zunehmenden Fachkräftemangel wird es auch immer mehr im Interesse der Unternehmen sein, Frauen angemessen zu bezahlen, um sie als Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Das Entgelttransparenzgesetz von 2017 geht schon in die richtige Richtung, entfaltet aber keine große Wirkung, weil es erst für Firmen ab 200 Beschäftigten greift und die Arbeitnehmer verpflichtet, beim Arbeitgeber nachzufragen. Zudem muss es sechs Mitarbeiter in vergleichbarer Position geben, bevor der Arbeitgeber Auskunft geben muss. Dadurch bewegt sich einfach nicht viel. Die Lohnlücke würde sich schneller schließen, wenn der Spieß umgedreht würde und Unternehmen ihrerseits beweisen müssten, dass sie Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich bezahlen.
3. Sie organisieren ehrenamtlich den Equal Pay Day. Wie kam es dazu und worum geht es bei diesem Tag genau?
Wir sind vier Frauen, die den Equal Pay Day in Köln neben ihrer Vollzeitarbeit gemeinsam organisieren: Jessica Espinoza, Melanie Garbrecht, Nora Kloppenburg und ich. Uns alle vier treibt der Wunsch nach Geschlechtergerechtigkeit an und wir sind überzeugt, dass die in unserer Gesellschaft letztlich Männern und Frauen nützt. Gemeinsam sind wir stark.
Der Equal Pay Day ist der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern. Er soll für Aufmerksamkeit und Bewusstsein sorgen. Initiiert haben ihn die Business and Professional Women (BPW), ein internationales Frauennetzwerk, in dem wir Mitglieder sind. Er markiert den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen aufgrund der Lohnlücke statistisch gesehen unbezahlt arbeiten, während Männer schon ab dem 1. Januar bezahlt werden. In diesem Jahr ist der offizielle Equal Pay Day deshalb der 18. März. Im März finden bundesweit Aktionen unter dem diesjährigen Kampagnenmotto „Wertsache Arbeit“ statt. Beim Equal Pay Day in Köln dreht sich alles um „New Work – New Life – New Pay.“
4. Wann findet er statt, warum sollte man teilnehmen und wie funktioniert das?
Der Equal Pay Day in Köln findet am 12. März im Forum VHS am Neumarkt statt. Wir veranstalten ihn das dritte Jahr in Folge als große Konferenz. Mit „New Work – New Life – New Pay“ lenken wir den Blick auf Lösungen. Wir holen Unternehmensvorbilder und New Work-Pioniere aufs Podium und zeigen Lebens-, Arbeits- und Unternehmensmodelle, die an den Ursachen des Gender Pay Gap ansetzen: Vodafone zum Beispiel fördert gleichmäßiger aufgeteilte Elternzeit mit einer innovativen Eltern Policy. Die DEG fördert seit langem Frauen in Führung, und das auch in Teilzeit. Der Väter in Köln e.V. setzt sich ein für Partnerschaftlichkeit in Leben und Arbeit. Genau die lebt das Gründerpaar der Strategieberatung Zukunftsagenten – mit drei kleinen Kindern und gleichberechtigter Aufgabenverteilung. New Work-Enthusiastin Nadine Nobile bringt uns auf den neuesten Stand zu innovativen Vergütungsmodellen und Carolin Ballweg berichtet aus ihrem Leben als digitale Nomadin.
In den Möglichkeiten der modernen Arbeitswelt steckt so viel für alle drin, das wollen wir mit unseren Impulsgebern zeigen. Und ganz pragmatisch: Wir wollen Geschlechtergerechtigkeit einfach in unserem Erwerbsleben noch erleben. Alle, die das auch wollen, laden wir ein zu kommen, sich inspirieren zu lassen und mitzudiskutieren.
5. Was kann man im Alltag tun, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen?
Reden! Über die unbewusste Benachteiligung von Frauen – der Gender Pay Gap ist nicht fair, die berüchtigte gläserne Decke ist es auch nicht. Macht es euch bewusst und sprecht darüber. Denn aus Worten wird Haltung und aus Haltung wächst Veränderung.
Redet miteinander: Sprecht mit eurem Partner über die Rollenaufteilung, die ihr euch wünscht. Hinterfragt Rollenbilder. Baut euch miteinander das für euch beste Modell. Egal, wie es die anderen machen.
Sprecht mit dem Chef: Väter, äußert mutig eure Familienzeitwünsche. Wenn ihr mehr als die üblichen 2 Monate Elternzeit wollt, nehmt sie. Und habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, danach in Teilzeit wieder zu kommen?
Unternehmer – hinterfragt eure Normen. Fördert Elternzeit für Väter. Etabliert Jobsharing und Führung in Teilzeit. Macht Flexibilität und die Option zum mobilen Arbeiten zum Standard, da, wo es möglich ist. Ihr bindet damit Talente. Und das spart euch bares Geld.
Und gesellschaftlich noch weitergedacht: Muss es immer die 40-Stunden-Woche sein? Das ist eine Norm aus den Fünfzigerjahren. Vorreiter wie die Digital Enabler aus Bielefeld beweisen, dass zum Beispiel der Change zum 5-Stundentag bei voller Bezahlung funktioniert.
Die Zukunft der Arbeit ist jetzt. Nehmen wir sie in die Hand.