Die Hamburgerin Josefa Nereus ist Sexworkerin und hat gerade in Berlin den 25 Frauen Award von Edition F verliehen bekommen, weil sie für die Rechte aller in der Sexarbeit tätigen Menschen kämpft. Damit ist sie ein gesellschaftliches Vorbild und sorgt für einen selbstbestimmten und informierten Diskurs zu den Themen Sexualität und Sexarbeit. Im Montagshappen-Interview spricht sie ganz offen über ihren Beruf, aber auch die Missstände in der Branche und darüber, welchen Wandel sie sich wünscht.

1. Liebe Josefa, wir haben uns beim 25 Frauen Award in Berlin kennengelernt, den du verliehen bekommen hast. Herzlichen Glückwunsch! Du bist Sexworkerin und räumst mit vielen Klischees diesbezüglich auf. Erklär doch mal, was genau ist eine Sexarbeiterin?

Sexworker sind Menschen, deren Job sich mit ausgelebter Sexualität befasst. Das können Porno/Webcam/Showdarsteller, Masseure die ein Happy End anbieten sein oder Menschen, die der klassischen Prostitution nachgehen, also sexuelle Handlungen gegen Geld tauschen.

2. Besonders fasziniert hat mich, dass wir selbst und viele um uns herum nicht wussten, was eine Sexarbeiterin ist. Wir schauten uns also betreten an und dachten: Ist sie wirklich Prostituierte? Hinterher haben wir uns alle darüber geärgert. Denn frei zu sein, heißt auch, frei über den Beruf entscheiden zu dürfen und für die Entscheidung respektiert zu werden. Spürst du, dass unsere Gesellschaft hier im Wandel ist?

Ich spüre deutlich, dass Männer und Frauen offen über Sex sprechen wollen und ihn auch frei ausleben möchten. Die alten Rollenklischees inklusive der Vorstellung, wie wer beim Sex zu sein hat, sind überholt. Hierbei stellen sich auch Fragen, die direkt mit der Sexarbeit zu tun haben. Natürlich haben Frauen außerhalb der Beziehung Spaß am Sex, natürlich können sie ihn verhandeln und natürlich können sie die Rahmenbedingungen stecken und schon haben wir die Eckpfeiler der Sexarbeit.

3. Du kämpfst für die Rechte von Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. Welche Rechte werden euch bis heute vorenthalten?

In Deutschland gibt es unzählige Sondergesetze, die es Sexworkern wirklich schwer machen. Anders als andere Berufe wird die Sexarbeit über Ordnungswidrigkeiten und Strafrechtsparagrafen geregelt, und nicht über das Gewerberecht, das ausreichend Schutz vor Ausbeutung, Gewalt und ähnlichem bietet. Die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Beispiel gilt für Sexworker und Frauen, denen diese Tätigkeit, sagen wir von Nachbarn, vorgeworfen wird, seit er Einführung des Gesetzes zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (ProstSchG) 2016 nicht mehr.

Außerdem werden durch Zwangsregistrierung Daten zu unseren Sexualleben gespeichert. Das verstößt gegen Menschenrechte. Wer die rosa Listen noch kennt (ein Register, dass von der Polizei für homosexuellen Männer genutzt wurde), weiß, wie diese Register missbraucht werden können und welche Gefahr sie für diejenigen bedeutet, die darauf stehen.

Es gibt Sperrgebietsverordnungen, die im Großteil des Landes Sexarbeit verbietet und dafür sorgt, dass Frauen im Gefängnis landen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Vielerorts kommt das einem Berufsverbot gleich und betrifft die Gefährdetsten am härtesten.

Ein weiteres Problem ist die Rechtsbeugung, beziehungsweise, wenn Behörden ohne Rechtsgrundlage agieren: Stealthing zum Beispiel ist eine Form der Vergewaltigung, die auch bei Sexworkern vorkommt. Nach dem ProstSchG ist das bloß eine Ordnungswidrigkeit und wird auch von den Behörden als Ordnungswidrigkeit behandelt. Außerdem gibt es vielerorts nur für Sexworker zusätzliche komplizierte Steuersysteme, die keine Rechtsgrundlage haben. Und in manchen Städten finden in den Bordellen wöchentlich Razzien statt, ohne dass dort jemals etwas zu bemängeln war. Ich höre hier auf, aber die Liste geht leider noch weiter.

4. Was tust du, damit sich das ändert und was können wir alle tun, die sagen wir mal gängigeren Berufen nachgehen, um dabei zu unterstützen?

In den letzten sechs Jahren habe ich so viele Dinge durch meinen Beruf gesehen und gelernt. Das Wissen daraus möchte ich für alle sichtbar machen. Ich bin davon überzeugt: Wissen. Macht. Sex! Darum zeige ich in meinem Vlog wie mein Job funktioniert und wie man das ein oder andere im heimischen Schlafzimmer umsetzten kann. Viel mehr Menschen könnten davon profitieren. Es wäre schön, wenn wir Berührungsängste gemeinsam abbauen, eine Politik abstrafen, die Frauen und ihre Rechte nicht ernst nimmt und wir können alle Respekt füreinander aufbringen.

Welchen Wandel wünscht du dir für dich und deine Branche?

Ein großer Durchbruch wäre die Abschaffung der vielen Sondergesetze. Sexworker haben es verdient, die gleichen Grund- und Menschenrechte zu bekommen, wie andere Menschen auch. Wenn wir es dann noch hinbekommen, dass Prostituierte, Hure und andere Berufsbezeichnungen keine Beleidigung mehr sind, sind wir ein gewaltiges Stück weiter.