Interview mit Ute Roehl, Diplom-Ökonomin und Inhaberin der Ute Roehl Trainervermittlung für Managementtrainer, Coaches und Berater.

Gibt es in der Weiterbildung Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Meine Erfahrung zeigt, dass die meisten Fehler aus Unsicherheit entstehen oder weil nicht reflektiert wird, ob die bisherige Vorgehensweise noch zur aktuellen Unternehmenssituation passt. Dabei fallen mir drei Punkte besonders auf:

Grundhaltung: Weiterbildung nur an Defiziten orientiert

Es ist noch immer verbreitet, einem Mitarbeiter erst dann eine Weiterbildungsmaßnahme zu genehmigen, wenn ein großes Problem im Verhalten oder Können auftaucht. Das führt insgesamt zu der Haltung: Wenn ich Unterstützung annehme, gestehe ich Schwäche ein. Deshalb kommt Unterstützung meist nicht zu einem sinnvollen, frühen Zeitpunkt. Bei der Übernahme einer Projektleiterfunktion wäre zum Beispiel ein Training „Die ersten 100 Tage in Führung“ oder ein Reflexionsworkshop „Führen ohne Weisungsbefugnis“ sinnvoll und hilfreich.

Mitarbeiter nicht ernst nehmen

Heute findet Lernen nicht nur im Seminarkontext statt, sondern auch durch online learning, network learning und Internettools, bei denen sich Mitarbeiter ihre benötigten Kenntnisse selbst suchen. Unternehmen unterschätzen die Fähigkeit und Motivation der Mitarbeiter, ihren eigenen Trainingsbedarf zu definieren. Sie sollten das ernst nehmen und eine Kultur schaffen, in der Mitarbeiter ihren Weiterbildungsbedarf selber benennen und dabei gefördert werden.

Auf Schlagworte aufspringen

Sehr oft springen Unternehmen auf neue Schlagworte in der Weiterbildung auf, ohne diese genau zu prüfen. Zurzeit ist es das Thema Agilität. Alle machen jetzt alles agil: agiles Projektmanagement, agile Führung und so weiter. Doch bevor man loslegt, sollte genau geprüft werden, was das für das eigene Unternehmen bedeutet, ob und in welcher Form es genau für das Unternehmen passend ist und in welcher Form eingesetzt werden sollte.

Hat sich in den letzten Jahren viel verändert oder sind die Themen/Methoden immer noch die gleichen?

In den letzten Jahren hat sich sehr viel verändert in der Arbeitswelt selbst und dadurch auch bei den Bedürfnissen der Teilnehmer. Daraus folgt ein vollkommen verändertes Weiterbildungsangebot. Die zwei wichtigsten Änderungen beziehen sich auf das Weiterbildungsformat und das Weiterbildungs-Setting.

Beim Weiterbildungsformat haben wir inzwischen durchweg eine hybride Weiterbildung, das heißt, eine Mischung in mehreren Dimensionen:

  • Kombination von Beratung, Coaching und Training
  • Kombination von Trainingsthemen z.B. Projektmanagement und Führung
  • Kombination von Präsenz- und virtuellem Lernen

Beim Weiterbildungs-Setting geht es in die Richtung immer kürzer, immer kurzfristiger, „Häppchenbildung“, am Job orientiert, aber auch eine Eventisierung in den Trainings, um das immer kürzere Zusammensein mit Kollegen mit Emotionen zu verbinden und gemeinsame Erlebnisse zu ermöglichen.

Was sollten Chefs tun, um dafür zu sorgen, dass sie selbst aber auch ihre Mitarbeiter immer up-to-date in der Branche sind?

Chefs sind ein Segen für sich und ihre Mitarbeiter, wenn es ihnen gelingt, sich immer mal wieder neben sich zu stellen und sich selbst, ihr Handeln und die Situation ihres Unternehmens einmal aus einer Außenperspektive zu betrachten. Dazu gehört die Fähigkeit und die Motivation zur Reflexion. Darüber hinaus braucht es ein Bewusstsein für das Lernen lernen, sich klar zu sein, dass immer wieder neue Fähigkeiten und Verhaltensweisen notwendig sind.

Wichtig ist, über den Tellerrand zu gucken, auf Kongressen präsent zu sein, networking zu betreiben, Artikel zu lesen und vieles mehr. Chefs sollten ihren Mitarbeitern wirklich zuhören, insbesondere, wenn es um Arbeitssituationen geht. Meistens haben die eigenen Mitarbeiter eine sehr große Einsicht und Übersicht. Und sie sollten sich Unterstützung von außen holen, um einen Mehrperspektiven-Blick zu erreichen und eigene blinde Flecken zu erkennen.

Sie sind Herausgeberin des Buches „Schöne neue Arbeitswelt – Wie Weiterbildungsexperten Unternehmen bei Veränderungen unterstützen“. Wie wichtig ist es, mit externen Experten zu arbeiten und warum?

Maßgeschneidert ist der neue Standard! In der heutigen Arbeits- und Weiterbildungswelt ist es ganz wichtig, für die Anliegen ein spezifisches maßgeschneidertes individuelles Weiterbildungsangebot zu haben. Die beste Voraussetzung dafür ist, Spezialisten im Trainerpool zu haben mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen, Branchenkenntnissen, Kompetenzen, Trainertypen, Trainer-Stile, um eine exakt passende Lösung zu ermöglichen. Aus diesem Grund haben wir einen Pool von 250 ganz unterschiedlichen Experten, aus dem wir auswählen.

Bei einer Kunden-Anfrage gehen wir mit ihm zunächst in eine genaue Anliegenklärung. Das heißt, die Beschreibung des Bildungsbedarfs, Situationsanalyse, Definition der Ziele, Einbindung der Maßnahme in das Gesamtkonzept des Unternehmens und Besprechung von Lösungsalternativen. Daraufhin definieren wir gemeinsam mit dem Kunden das Anforderungsprofil des Trainers hinsichtlich Kernkompetenzen, Berufserfahrung, Branchenkenntnisse, Persönlichkeit, Trainerstil, Seminarkultur und finanzieller Rahmen. Auf dieser Basis wählen wir aus unserem Pool den entsprechenden Experten aus. Aus unserer Erfahrung ist besonders die Auswahl des „Trainertyps“ der entscheidende Faktor, damit es nicht nur ein guter, sondern ein zum Unternehmen passender Trainer ist.

Begriffe wie Fast Learning – Slow Learning tauchen immer wieder auf. Was ist das eigentlich?

In Zeiten der gesamten Beschleunigung im Arbeitsalltag, der sich ständig überlagernden Veränderungsprozesse, wünschen sich Unternehmen häufig Fast Learning. Das heißt, eine Weiterbildungsmaßnahme soll kurz sein, kurzfristig stattfinden können, in Häppchen verabreicht werden, Methoden wie micro-teaching beinhalten, schnell abrufbar sein, direkt am Arbeitsprozess angedockt und wie Fast Food schnell aufnehmbar und schnell verdaulich sein.

Die Digitalisierung macht da auch vieles möglich. Wichtig ist aber, dass immer klar ist: Je wissens- und methodenorientierter die Ziele, desto eher kann Training in kurzen Sequenzen und web-basiert sein. Aber schnell heißt nicht immer auch effektiv.

Je verhaltensorientierter die Ziele sind, desto mehr Zeit und Präsenzformate sind notwendig. Da ist genau die Entschleunigung der Schlüssel zum Erfolg: das Slow Learning. Wer lernen soll, sein über Jahre hinweg antrainiertes und etabliertes Verhalten zu verändern, der benötigt vor allem Zeit zur Reflexion, Raum für den persönlichen Austausch mit Kollegen und das Feedback anderer.