Hermann J Kassel setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit immer wieder mit Würde und Werten auseinander und stellt die Frage der Eigenverantwortung. Deren anregende und konstruktiv-irritierende Wirkung haben bereits viele Wirtschaftsunternehmen, Institutionen, Stiftungen und Ministerien erkannt.
Mit dem Projekt „#deineWürde“ behandelt er die Verletzlichkeit der Würde durch uns Menschen mit den verschiedenen Mitteln der bildenden Kunst und sagt, „die Würde des Menschen ist tastbar“. Im Montagshappen-Interview verrät er, warum er das so sieht.
Herr Kassel, was steckt hinter ihrem Projekt #deineWürde?
#deineWürde ist ein auf Dauer angelegtes Projekt, das sich ständig verändert und erweitert. In dem Ausstellungsprojekt bearbeite ich seit 2016 die Thematik der Würde und deren Verletzlichkeit durch uns Menschen mit den verschiedenen Mitteln der bildenden Kunst.
Bei der Suche nach einem Titel, der das Projekt gut beschreibt, ging es mir darum, die Menschen unmittelbar anzusprechen. Er soll sich direkt an jeden und jede richten. So kam es zu „‚deineWürde“. Neben der direkten Ansprache provoziert dieser Titel vielleicht auch die Frage: Was ist denn mit meiner Würde? Der Hashtag im Titel zeigt darüber hinaus an, dass es mir neben Fotobearbeitungen, Objekten und Installationen in diesem Ausstellungsprojekt wichtig ist, Möglichkeiten der Interaktion zu schaffen. Hierfür werden die verschiedenen Online-Plattformen genutzt. Und es gibt Arbeiten mit QR-Codes oder dem Hashtag, der auch Titel des gesamten Projektes ist. Auf breiter Ebene kann so über das Thema der Würde kommuniziert werden.
Sie haben im Rahmen des Projektes die Gesetzestexte quasi umformuliert. Wie und warum haben Sie das gemacht?
Uns allen ist zumindest der wunderbare Artikel 1 unseres Grundgesetzes bestens bekannt, ja geläufig. Und vielleicht liegt hierin gewissermaßen die Krux: Scheint uns dieser Artikel doch nur allzu klar und selbstverständlich, dass darin auch die Gefahr der Passivität liegt.
Aber die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist eben alles andere als selbstverständlich. Sie ist nicht aus sich heraus tatsächlich jedem und jeder gegeben. Es ist wichtig, sich dieser Würde und deren Verletzbarkeit bewusst zu sein. So heißt es bei mir: „Die Würde des Menschen ist tastbar“. Diese kleine Umformulierung schärft das Bewusstsein dafür, dass diese Würde unsere aktive Verantwortung in unserem Denken, Reden und Handeln erfordert. Deshalb habe ich auch noch andere Artikel in eine aktive Form gebracht. So heißt es zum Beispiel bei mir: „Ich achte die Gleichberechtigung und freie Selbstbestimmtheit eines jeden Mannes und einer jeden Frau.“
Sie machen auch künstlerische Interventionen in Unternehmen. Spielt das Thema Würde da auch eine Rolle?
Die Unantastbarkeit der Würde erfordert das bewusste und verantwortungsvolle Denken, Reden und Handeln eines jeden Menschen. Meine künstlerischen Interventionen in Unternehmen entspringen unmittelbar meiner „sonstigen“ künstlerischen Arbeit. Deshalb spielen auch dort Eigenverantwortung und Achtsamkeit eine große Rolle. Nur, wer sich seines eigenen Wertes und dem Wert des anderen bewusst ist, kann auch wertschöpfend tätig sein. Mit künstlerischen Mitteln versuche ich in den Interventionen gemeinsam mit allein Teilnehmerinnen und Teilnehmern nachhaltig sichtbare und wirkende Werke und Situationen zu schaffen, die neben dem Team Building, der Förderung der Kreativität oder dem Eröffnen neuer Denkräume ganz basal diese wichtigsten Aspekte eines fruchtbaren und respektvollen Miteinanders befördern, für das Unternehmen wie für den einzelnen Menschen. Dies generiert oder unterstützt eine vielschichtige Wertschöpfung – noch über die wirtschaftliche Wertschöpfung hinaus.