Wir müssen gerade auf viel verzichten: Mit der Fastenzeit haben sich die meisten eh schon irgendeinen Verzicht selbst auferlegt und jetzt fallen auch noch die meisten Veranstaltungen aus und wir sollen unsere Sozialkontakte einschränken. Aber was tun wir eigentlich dafür, dass es uns gut geht und wir das Leben genießen können?

In Sachen Ernährung lese ich immer wieder: „Fasten – eine Auszeit für Körper und Geist“ Wirklich? Klar, Heil- oder Intervallfasten kann uns und unserem Körper guttun: Statt am Computer nebenbei zu „picknicken“, Mahlzeiten bewusst essen. Bewusst in Bezug auf das Was, aber auch das Wann und Wie. Nicht einfach nur schlucken. Eine schöne Metapher zu unserem Leben: Wir akzeptieren vieles, ohne zu überprüfen, ob es für uns überhaupt (noch) passend ist.

Das gilt auch für die aktuelle „offizielle“ Fastenzeit, die so viele einhalten, obwohl sie gar nicht religiös sind. Nach den Vorgaben der Westkirche soll hier folgendes passieren: Kurz zusammengefasst geht es um Formen der Askese (enthaltsam und entsagend). Neben besonderen Speisegeboten, wird auch noch Buße empfohlen, verstärktes Beten und Werke der Nächstenliebe, das sogenannte Fastenopfer. Ein solches Fasten klingt nun wirklich nicht nach Lebensfreude oder Lebensqualität. Es bedeutet, sich etwas zu versagen, auf etwas zu verzichten, das man eigentlich genießt. Und was für andere zu tun, statt für sich selbst.

Verzichten ist schick

Fasten wollen ausgerechnet diejenigen, die sich im Alltag eh schon sehr viel abverlangen, die Job und Karriere managen sowie die Hausarbeit, sich um den Fuhrpark und den Garten kümmern und die Familie ist ja auch noch da… Und jetzt auch noch wochenlanges Fasten. Es ist irgendwie schick, zu verzichten – vor allem für Frauen. Es entspringt einem Bedürfnis nach Klarheit, dem Wunsch, sich Zeit für sich zu nehmen, der Sehnsucht, dass alles endlich gut wird. Aber in der Realität bedeutet ein solcher Verzicht meist nur noch mehr Stress.

Während wir damit beschäftigt sind, auf unsere Ernährung zu achten, Sport zu treiben, wenn´s geht, bitte schön auch noch zu meditieren, mehr Erfolg zu generieren, bricht das „Kartenhaus der Disziplin“ unter so viel Last zusammen und wir selbst auch. Drehen wir dieses Jahr doch einfach den Spieß um und sehen in der Fastenzeit zu, dass wir uns viel mehr Gutes tun, dass wir machen, was uns selbst gefällt, wir genießen können und uns Freude bereitet. Das Überraschende ist: Es ist richtig schwer, sich etwas zu gönnen und dann auch zu genießen. Im Verzichten sind wir schon Meister geworden. Das andere müssen wir erst üben und uns vor allem selbst die Erlaubnis geben.

Mal eben schnell noch

Meist reiht sich ein „mal eben schnell noch“ an das andere und schon ist die wohlverdiente Kaffeepause wieder passé. Das ist wie das letzte Stück Anstandskuchen auf dem Teller: Statt das Stück noch zu genießen, verzichtet jeder zu Gunsten des Anderen, der es aber vielleicht gar nicht möchte. „Ich denke so gerne an andere“, aber wenn wir am Ende alles gegeben und hinüber sind, ist damit keinem geholfen. Das ist einfach nur dumm. Wir verhungern so am reich gedeckten Tisch.

Verzichten wir doch besser darauf, die alten Muster zu bedienen. Nicht „mal eben schnell noch“, sondern Nein sagen, wenn der Chef, das Kind, der Kollege oder die Mutter was will, es aber gerade für Sie nicht passend ist. Wir wollen großherzig und gut sein. Gleichzeitig wird eine egoistische Seite in uns sichtbar – nicht nur in Form von Hamsterkäufern. Auch die Schließung der Grenzen und die unzugänglichen öffentlichen Angebote beschneiden unsere Freiheit und Selbstwirksamkeit empfindlich. Das macht uns wahlweise wütend oder traurig oder beides im Wechsel. Stehen zu bleiben ist oft schwieriger als weiterzulaufen, aber denken Sie daran: Das Ziel sind Sie! Versuchen Sie die vielleicht gerade verordnete Pause für sich zu nutzen und machen Sie aus drei verschimmelten Äpfeln einen Apfelkuchen, den Sie statt für den Besuch, für sich ganz alleine backen. Es darf uns auch dann gut gehen, wenn wir grad nicht krank sind oder schuften müssen.