In einer gerechten Welt ist die Waagschale zwischen Geben und Nehmen ausgeglichen. Wer etwas haben will, der muss auch bereit sein, etwas dafür zu geben. Wir nehmen uns Waren und bezahlen mit Geld. Wir geben unsere Arbeitskraft und erhalten dafür Lohn. Selbst in der Liebe wird oft aufgerechnet, wieviel wer in die Partnerschaft einbringt. Doch Gerechtigkeit lässt sich nicht so einfach messen. Denn dafür gibt es keine klare Einheit.
Oft sind es Kulturen, in denen das Geben und Nehmen scheinbar ganz natürlich vonstatten geht, die besonders fair leben. Hier wird mehr auf das Gesetz der Natur vertraut als auf Regelwerke und Gerichtssäle. Das habe ich immer wieder auf meinen Reisen erlebt. Eine hundertjährige balinesische Verkäuferin hat mir aber einmal eine besondere Lektion mitgegeben. Sie brachte mir bei, dass es sich oft nicht lohnt, Besitz krampfhaft festzuhalten.
Affenversicherung auf balinesisch
Sie verkaufte, wie viele andere Dorfbewohner, Bananen und Erdnüsse an Touristen, damit diese sich die ansässigen Affenhorden beim Besuch eines balinesischen Tempels vom Leib halten konnten. Das Ziel: Gib den Tieren Leckereien, damit sie deine Tasche nicht klauen, in der sie Essbares vermuten. Wer dort seine Sachen festhält, an dem zerren die Affen solange oder beißen, bis sie bekommen, was sie wollen. Haben Sie aber Bananen und Erdnüsse als Gaben, lassen die Affen Sie in Ruhe, da sie ja bereits Beute gemacht haben. Wer also Leckereien ersteht, kauft ein balinesische Affenschutz-Versicherung gleich mit.
Beim Einkauf meiner eigenen Versicherung beobachtete ich, wie ein flinker Affe sich bei der Verkäuferin ungeniert Nüsse und Bananen griff und damit auf den nächsten Baum sprang. Sie blieb völlig gelassen und erklärte mir: „Festhalten bringt nichts. Denn wer festhält, hat die Hände nicht mehr frei für das Neue und das Gute. Und in meinem Fall bist das Gute du. Denn du wirst mir gleich Geld geben, weil du mir etwas abkaufst. Hätte ich also die Hände nicht frei, könnte ich das nicht nehmen.“
Festhalten bringt nichts
Der Dame war klar, dass die Affen gierig waren und etwas Unrechtes taten. Aber da sie genug hatte, konnte sie, ohne Gegenleistung, auch etwas geben und dafür etwas anderes empfangen. Über die Affen hatte sie sich nie geärgert. Sonst wäre sie wahrscheinlich auch keine 100 Jahre alt geworden.
Nachdenklich vom Gespräch mit der alten Dame gab ich auf dem Weg zum Tempel meine Affen-Versicherung gleich freiwillig an die Tiere aus, ohne erst auf einen Angriff ihrerseits, gegen den ich mich ursprünglich versichern wollte, zu warten. Als ich nichts mehr hatte, wurde ich uninteressant. Genau wie die einheimischen Balinesen, von denen die Affen wussten, dass bei ihnen nichts zu holen ist. Für die anderen Touristen, die ihre Bananen immer erst dann verteilten, wenn sie „überfallen“ wurden, war der Aufstieg zum Tempel ein nervenaufreibender Spießrutenlauf. Denn die angriffslustigen Affen, ließen lange nicht locker.
Eine Hand frei für‘s Glück
Diese Erfahrung hat mir gezeigt: Wer festhält, der kann verlieren und hat genau davor Angst. Und wer sich versichert, der zieht genau diejenigen an, die von der Versicherung profitieren. Belasten Sie sich also nicht mit dem Verscheuchen von kleinen, gierigen Äffchen. Wenn Sie es stattdessen schaffen, freiwillig zu geben und den Nehmern gegenüber gelassen und offen zu bleiben, dann haben Sie immer eine Hand frei. Womöglich können Sie am Ende genau mit dieser Hand Ihr persönliches Glück greifen.