Darf ich mich vorstellen: Anne Koark, Ex-Pleitier. 2003 musste ich für mein damaliges Unternehmen „Trust in Business“, mit dem ich 2001 noch einen Existenzgründerpreis gewonnen hatte, Insolvenz anmelden. Alles war weg – Eigentumswohnung, Auto, die komplette Altersvorsorge, … Ich fühlte mich wie tot bei lebendigem Leibe. Noch schlimmer als der materielle Schaden war dabei die Erfahrung, wie in Deutschland mit Scheitern umgegangen wird. Eine konstruktive Auseinandersetzung findet nicht statt. Man bekommt vielmehr das Gefühl vermittelt, dass man vor dem völligen Aus steht.
Scheitern – das große Tabu in Deutschland
Zu scheitern ist in Deutschland ein Tabu, gilt als Schande. Klar ist daher: Die Menschen hier machen sich enormen Druck, nicht scheitern zu dürfen. Damit geht viel Potenzial verloren. Denn Angst verhindert Innovationen, und wenn man keine Fehler macht, gibt es auch keine Möglichkeiten, Verbesserungen einzuleiten. Das Land braucht daher dringend Nachhilfe darin, das Scheitern als Chance zu sehen. Natürlich ist es nicht schön, wenn man voll in der Misere steckt. Aber aus Erfahrung weiß ich: Man geht gestärkt daraus hervor. Und man hat einen Vorteil: Man ist schon gescheitert – und verliert die Angst davor.
Neuanfang nach dem Scheitern: Das Ende akzeptieren
Wichtig ist, den Blick nach vorne zu richten. Nach dem Scheitern kommt der Neuanfang. Hierfür müssen Sie aber erstmal gedanklich zulassen, dass es ein Ende gibt. Nur wenn Sie akzeptieren, dass etwas zu Ende ist, kann es einen neuen Anfang geben. Oder anders herum ausgedrückt: Wie kann es einen Neuanfang geben, wenn es kein Ende gibt?
Nicht im „Warum?“ verharren
Stehen Sie zu Ihrem Scheitern, verurteilen Sie sie sich nicht dafür! Meist ist nicht das Scheitern selbst das Problem, sondern das, was man daraus macht. Wichtig vor allem: Verharren Sie nicht im „Warum?“. Den kompletten Fokus auf die Frage zu legen, warum Sie gescheitert sind, ist zumindest ganz am Anfang nicht zielführend – weil sie Sie nur lähmt. Statt immer wieder zu überlegen, woran es gehakt hat, was konkret schiefgelaufen ist, nehmen Sie den Lerneffekt mit und versuchen Sie einen Weg zu finden, um mit der aktuellen Situation klar zu kommen.
Seinen Selbstwert entdecken
Was bleibt? Das ist die entscheidende Frage, die Sie sich stellen sollten. Auch wenn Sie alles verloren haben, von dem Sie glauben, dass es für das „normale“ Leben dazugehört, haben Sie immer noch sich selbst. Als ich in der Insolvenz steckte, wurde mir alles genommen: Eigenheim, EC-Karte, Lebensversicherung etc. Doch meinen Humor und meine Willensstärke konnten sie mir nicht nehmen.
Hilfen annehmen
Lassen Sie sich helfen! Ich selbst hatte nach meiner Insolvenz ein Schlüsselerlebnis: Eine Freundin bot mir an, mich zu unterstützen, und ich sagte, dass ich das nicht annehmen kann. Sie machte mir klar, dass dies überheblich ist. Warum? Schließlich würde ich ja auch Freunden helfen, wenn diese in eine missliche Lage geraten. Seitdem ist mir klar: Die Erwartungen an einen selbst unterscheiden sich von dem, was man anderen rät. Ändern Sie Ihren Blickwinkel, wenn es Ihnen ähnlich geht: Was für andere gilt, sollte auch für Sie gelten! Nehmen Sie Hilfen von außen dankend an.
Scheitern können Sie immer – Sie sollten nur nicht liegenbleiben!
In meinem Geburtsland Großbritannien sagt man: „Der Versager ist derjenige, der liegenbleibt, nicht derjenige, der fällt.“ Auch in Deutschland gibt es ein passendes Sprichwort: „Aus Erfahrung lernt man.“ Ich habe nur leider die Erfahrung gemacht, dass die Deutschen schlechte Erfahrungen ausklammern wollen.
Natürlich bedarf es Mut, um Dinge auszuprobieren. Doch wenn Sie diesen Mut aufbringen, Ihre Angst überwinden und dem folgen, was Sie machen wollen, bewahrt Sie dies davor, dass Sie später frustriert sagen „Hätte ich mal …“. Trauen Sie sich also! Eine Garantie dafür, dass immer alles toll läuft, gibt es ohnehin nicht: Egal, welchen Weg Sie gehen, – Sie können immer scheitern. Gehen Sie somit den Weg, der Sie glücklich macht. Dann ertragen Sie auch ein eventuelles Scheitern leichter.