„Nimm keine Geschenke von fremden Leuten an!“ Das haben wir als Kinder von unseren Eltern eingetrichtert bekommen. Warum? Weil hinter solchen Geschenken meist eine Forderung steht. Zugegeben, keine Süßigkeiten von Unbekannten anzunehmen, sollte uns vor Gefahr schützen – aber die Tatsache, dass auch lieb gemeinte Geschenke mit Forderungen verbunden sind, bleibt. Egal, ob bewusst oder unbewusst.

Warum geben wir?

Wenn wir etwas verschenken, spielen unsere eigenen Bedürfnisse immer zumindest eine Nebenrolle, wenn nicht sogar die Hauptrolle. Wir sind beispielsweise idealistisch und wollen Gutes in die Welt tragen oder unser Ego ein wenig streicheln. Wir fühlen uns wunderbar, wenn wir großzügig sein können oder Anerkennung für unsere guten Taten bekommen. Wo auch immer unsere Motivation, etwas zu verschenken, herrührt – das Ganze kann gehörig schiefgehen.

Geschenke sind nicht umsonst – sie kosten Dankbarkeit und Freiheit

Wir schenken lieben Menschen unsere Zeit, unser Geld oder unsere Zuneigung. Wir regeln mal eben etwas für sie oder zücken schnell das Portemonnaie. Bekommen wir dafür nicht die erwartete Reaktion sind wir verletzt und enttäuscht und hören uns viel zu oft sagen: „Da machst du was und das ist der Dank?“ Die Lage ist für uns glasklar, wer ein Geschenk nicht angemessen wertschätzt oder sogar ablehnt, muss entweder stolz oder undankbar sein. Dabei kann dieses Verhalten auch als ein Zeichen für Klarheit und Reife gesehen werden, die gar nicht so verkehrt ist. Wenn wir Menschen helfen und ihnen direkt geben, was sie bedürfen – sei es nun Geld, Materielles oder eine Hilfestellung – nehmen wir ihnen ein Stück Freiheit, es selbst zu schaffen und eine eigene Lösung zu finden.

Das Leben in die Hand nehmen

Wir sind Menschen und wollen nicht nur existieren, sondern uns weiterentwickeln. Deshalb ist es auch falsch, unseren Kindern alles zu geben oder ihnen etwas „ersparen“ zu wollen. Ein Geschenk als Lösung eines Problems, entwickelt sich schnell zu einer Schuld. Der Geber ist schuld, dass der Nehmer sich schuldig fühlt. Diese Prozesse laufen in unserem Unterbewusstsein ab. Während der eine sich denkt, wie toll es ist, dass er helfen kann, ist der andere in seiner Schuld vielleicht objektiv um die notwendigen Euro reicher, doch die Schuld macht ihn klein.

Ist der 18-jährige Sohn nun undankbar oder reif, wenn er nicht mehr mit den Eltern auf teure Fernreisen gehen, sondern alleine seine Abenteuer erleben will? Die Mutter ist verletzt, dass ihre eigenen Bedürfnisse nach Zeit, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit von ihrem Kind nicht befriedigt werden. Er hingegen fordert die Freiheit, eigene Erfahrungen zu sammeln und nicht in ihrer Schuld zu stehen. Bei unseren Kindern ist es bis zu einem gewissen Grad okay, doch jeder kennt sicher die Familienkonstrukte, in denen es genau um diese „hab‘ ich nicht alles für dich getan“-Themen geht.

Die Dosis ist das Gift

Lernen wir doch zu unterscheiden, wie viel von einem Geschenk an den anderen eigentlich für uns selbst gedacht ist. Vor allem in dem Wissen, dass es Menschen klein macht, wenn wir es zu gut meinen. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Die Augenhöhe geht dabei verloren. Am Ende fühlt es sich für beide Seiten nicht gut an. In diesem Sinne: Achten Sie darauf, wie viel Sie verschenken und ob es Ihrem Gegenüber vielleicht manchmal mehr gibt, es nicht zu tun.