Der Tag der sozialen Gerechtigkeit steht an und ich frage mich, ob denn Gerechtigkeit oder gerechtes Denken und Handeln nicht immer, geradezu zwangsläufig, auch sozial sind. Das ist doch irgendwie doppelt gemoppelt. Und da ich als Künstler gerne mit Worten spiele und sie zusammen mit den Werken ein Spannungsfeld eröffnen, frage ich mich, ob es wohl auch so etwas wie eine unsoziale Gerechtigkeit gibt.
Sprechen wir von Gerechtigkeit und Fairness, stehen diese Begriffe für mich auf jeden Fall in Verbindung mit Wertschätzung und Achtung und sind ohne nicht möglich. Die Auseinandersetzung mit Werten, Respekt und Achtung ist ein ganz zentraler Aspekt meiner gesamten künstlerischen Arbeit.

Wo beginnt Wertschätzung und wie schaffen wir eine gerechtere Welt?

Normalerweise sprechen wir einer Sache oder einem Menschen einen bestimmten Wert zu. Er wird zugeschrieben mit den Augen des Betrachters, des Wert-Schätzenden. Der Wert von etwas wird eingeschätzt und als Ergebnis dieser Einschätzung sagen wir dann: Du bist oder das ist mir etwas wert, du bist wertvoll. Auch die Wertschätzung uns selbst gegenüber machen wir häufig und manchmal alleine von den Bekundungen und Einschätzungen Dritter abhängig. Oft wird dieser Wert an meinem „Nutzwert“ gemessen, an dem, was ich „bringe“ – in Bezug auf meine Arbeitskraft oder meinen Nutzen für die Gesellschaft. Doch wem sollte man Wertschätzung zuerst entgegenbringen? Wo sollte Wertschätzung tatsächlich beginnen?

Wertschätzung beginnt bei uns selbst

Bei uns selbst. Allerdings nicht in einem egozentrischen oder narzisstischen Sinn. Nur, wer sich selbst als wertvoll annimmt und versteht, kann auch nach außen hin wirklich wertschätzend empfinden und wertschöpferisch tätig sein. Sich selbst zu sagen, „ich bin wertvoll“, nimmt mich außerdem in die Verantwortung für mein Handeln, mich dementsprechend wertschätzend und wertschöpfend zu verhalten.

Meine Stempeledition mit dem Satz „ich bin wertvoll“ drückt genau dies aus. Es geht um Wertschätzung sich selbst gegenüber, gegenüber anderen Menschen bis hin zur Wertschätzung von „Dingen oder Gegenständen“. Erstaunlich, wie sich die eigene Wahrnehmung und Aufmerksamkeit schlagartig verändert, sobald es mit der Aussage „ich bin wertvoll“ bezeichnet, beziehungsweise gestempelt wird. Es heißt ja immer, wir sollen niemandem einen Stempel aufdrücken, aber eine solche Stempelung stößt Diskussionen und Reflexionen an – gerade unter dem Gesichtspunkt einer Wegwerfgesellschaft und der immer aktueller werdenden Frage nach der Geltung und Durchsetzung von Werten in einer modernen Gesellschaft. Stellen wir uns also alle vor, diesen Stempel zu tragen und drücken ihn gedanklich auch unserem Gegenüber auf – für eine gerechtere Welt.

Hermann J Kassel

Hermann J Kassel

Stempel-Edition, „ich bin wertvoll“©

2007