Gregor Meyle ist Musiker, seit 23 Jahren selbständig und hat gerade sein inzwischen sechstes Studioalbum „Hätt‘ auch anders kommen können“ veröffentlicht.

Braucht unsere Gesellschaft mehr Mut, Herr Meyle?

Ja, ich denke schon. Ich bin zum Beispiel seit 23 Jahren selbständig. Dafür hab ich viel Mut gebraucht und das hat mir, in meinem Mikrokosmos, nicht geschadet. Ich glaube, mit Mut kommt man immer weiter. Das gilt aber nicht nur für Musiker, sondern für alle Menschen, unabhängig vom Beruf. Aber als Musiker musst du etwas aus dem Nichts entstehen lassen. Das ist nicht immer einfach und das ist ja auch kein Job, den man in der Schule lernen kann. Den lernst du nur, wenn du viel mit Menschen zu tun hast und netzwerkst.

Leider haben viele nur dann Mut, wenn sie anonym im Internet unterwegs sind. Dann sind sie angriffslustig. Als öffentliche Person ist es oft schwieriger, eine Meinung zu äußern, weil einen das angreifbar macht. Wir haben aber die Gelegenheit, Meinung auch in Songtexten zu verpacken.

Ich persönlich nehme es mir sehr zu Herzen, wenn ich nachträglich realisiere, dass ich in Situationen mehr Mut hätte haben sollen. Oft ist mein Mund aber auch mutiger als ich. Manchmal gebe ich zu schnell meinen Senf zu Sachen und dann gibt es Leute, die denken: Gregor, halt doch mal die Klappe!

Braucht Meinung Mut?

Ja klar braucht Meinung Mut. Es ist viel einfacher, sich an den Schwarm hintendran zu setzen. Die Natur hat das geschickt eingerichtet. Wir Menschen sind ja Herdentiere. Wir rotten uns gerne zusammen. Man kann sich das auch wie einen Schwarm Sardinen vorstellen. Wer in der Mitte schwimmt, ist der Gefahr nie so sehr ausgesetzt wie derjenige, der am Rand schwimmt. Aber auch ein Sardinenschwarm kann in den Untergang schwimmen.

Also ja, Meinung braucht Mut. Im besten Fall hast du dann auch deine eigene Meinung. Die kommt oft zu kurz. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass viele Menschen über Flüchtlinge schimpfen, die noch nie einen getroffen haben, geschweige denn, sich mit ihm unterhalten. Es ist leider eine Krankheit unserer Zeit, dass man eine Meinung verbreitet, die man aufgeschnappt hat und von der man gar nicht weiß, ob sie stimmt. Deshalb ist es dafür, eine Meinung zu haben, wichtig, sich fundiert zu informieren. Halbwissen ist gefährlich. Es gibt übrigens Forschungen, die zeigen, dass eine Gesellschaftsform dann am gesündesten erhalten bleibt, wenn sich verschiedene Kulturen mischen und im Austausch bleiben. 

Wieviel Mut muss man als Musiker heutzutage haben?

Es tut der Musik gut, Mut zu haben. Wenn die Beatles nicht mutig gewesen wären, würde die Popmusik heute anders aussehen. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss man immer nach vorne gehen, anstatt nur Dinge zu machen, die schon mal funktioniert haben. Mit meinem neuen Album „Hätt‘ auch anders kommen können“ habe ich mich zum Beispiel an ganz neue Musikrichtungen getraut und sie gemixt. Nicht, um Pionierarbeit zu leisten, sondern weil ich mir diese Freiheit einfach gegönnt habe. Ich hatte das Glück, diese Freiheit zu bekommen und machen zu können, was ich will.

Was beeindruckt Dich?

Mut! (lacht) Dieses Mädchen mit den kurzgeschorenen Haaren, Emma Gonzalez zum Beispiel. Sie hat den Amoklauf in Florida im Februar 2018 überlebt und sich dann gleich mit der Waffenlobby angelegt. Sie sprach in einer Rede ganz klare Worte, die sich gegen Trump und die NRA richteten. Da gehört schon Mut dazu, wenn du gerade erst so ein Trauma erlebt hast.

Grundsätzlich beeindruckt es mich, wenn sich jemand gegen Ungerechtigkeit wendet und sie nicht einfach so geschehen lässt. Ich finde es gut und richtig, wenn man sich für etwas einsetzt. 

Was rätst du Menschen, die mutlos sind?

Ich rate ihnen, mutig zu sein, denn damit tun sie nicht nur sich selbst einen Gefallen, sondern machen auch anderen Menschen die Tür auf. Das sehen wir ja bei der #metoo-Debatte eindeutig. Tritt einer vor, folgen oft andere.