Interview mit Lisa Kainz, Agrarwissenschaftlerin und Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei PETA Deutschland e.V.

Liebe Frau Kainz, wie wichtig sind Aktionstage wie der Weltvegetariertag?

Die Welt ist schnelllebig und jeden Tag erreicht uns eine Vielzahl an Informationen. Gedenk- und Aktionstage, wie der Weltvegetariertag, können helfen, wichtige Themen in den Vordergrund zu rücken. Für PETA ist es ein Anliegen, an diesem Tag allen Vegetariern dafür zu danken, dass sie das Leid der Tiere in den Mastbetrieben nicht mehr unterstützen. Gleichzeitig machen wir auf die leidvollen Praktiken in der Milch- und Eierindustrie aufmerksam – denn auch für diese Lebensmittel leben Tiere unter artwidrigen Bedingungen und sterben einen qualvollen Tod im Schlachthaus. Wir möchten Vegetarier, sowie alle anderen Menschen, dazu ermutigen, in ein veganes Leben zu starten. Dazu geben wir allen Interessierten unser kostenloses Veganstart-Programm an die Hand.

Wo gibt es in Deutschland noch große Probleme in Sachen Tierschutz? Was ist das dringendste Problem, das wir angehen müssen?

Tiere in der landwirtschaftlichen Tierhaltung werden als bloße Ware angesehen. Das führt dazu, dass selbst die minimalen Gesetze nicht eingehalten und Verstöße kaum kontrolliert oder geahndet werden. Für die Millionen Tiere bedeutet das ein artfremdes Leben meist auf harten und kotverdreckten Böden, mit tausenden Artgenossen in riesigen Hallen oder wenigen Tieren in engen Buchten eingesperrt. Die karge Umgebung und der chronische Stress sorgen dafür, dass sich die Tiere gegenseitig verletzten oder krank werden, weshalb viele Schweine, Rinder und Hühner schon in den Ställen sterben oder getötet und entsorgt werden. Die restlichen Tiere werden auf Transporter verfrachtet und in einer oft stundenlangen Tortur ins Schlachthaus transportiert. Die Betäubung schlägt oft fehl und den Tieren wird bei Bewusstsein die Kehle durchtrennt

Was kann man als Einzelner tun, dass es den Tieren besser geht?

Jeder Mensch kann den Tieren ganz einfach helfen, indem man vegan lebt. Der Einkauf entscheidet darüber, was produziert wird. Eine vegane Ernährung hilft zudem der Umwelt, ist gesund, abwechslungsreich sowie schmackhaft.

Veganer und Vegetarier hören ständig Sätze wie „auf mein Schnitzel könnte ich nie verzichten“ oder „der Milchkaffee mit Pflanzenmilch schmeckt mir nicht. Das könnte ich nicht“. Das kann ganz schön lästig sein. Was halten Sie für eine gute Reaktion auf solche Aussagen?

Jeder Mensch in Deutschland kann vegan leben, es kommt alleine auf das Wollen an. Die Tiere in den Produktionshallen können sich jedoch nicht entscheiden. Kühen wird für Milch kurz nach der Geburt das Kalb weggenommen, damit der Mensch die artfremde Muttermilch trinken kann. Männliche Küken werden kurz nach der Geburt vergast, da sie für die Eierindustrie wertlos sind. Schweine werden in enge Metallkäfige gesperrt, in denen sie sich nicht einmal umdrehen, geschweige denn um ihren Nachwuchs kümmern können. Dabei gibt es mittlerweile in jedem Supermarkt vegane Alternativen. Hier muss man offen sein und sich durch die breite Produktpalette probieren. Zudem ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Sich Zeit beim Umstieg zu geben, kann deshalb wichtig sein.

Welche Argumente gibt es heutzutage eigentlich noch Fleisch zu essen. Wir glauben, dass sich inzwischen fast jeder darüber im Klaren ist, dass Massentierhaltung keine Lösung ist und nicht nur aus ethischen Gründen eine Katastrophe? Sind wir zu bequem oder einfach unbelehrbar?

Es gibt keinen Grund für den Konsum tierischer Produkte – dafür unzählbare dagegen. Wem die ethischen Gründe nicht genug sind, der sollte sich mit den Auswirkungen auf unsere Umwelt beschäftigen. Der Konsum tierischer Produkte ist in hohem Maße für den Klimawandel verantwortlich. Bis zu 18 Prozent der weltweit ausgestoßenen Treibhausgase werden der Landwirtschaft zugeschrieben. Das ist mehr als der gesamte Verkehr. Für die Produktion von Tierfutter werden immense Flächen verbraucht. Auch der Regenwald wird für die Produktion von Weideflächen und Tierfutter gerodet. Dies alles verringert die Artenvielfalt, verschwendet Ressourcen wie Wasser, schädigt die Böden und verschmutzt die Luft.

Außerdem könnten weltweit mehr Menschen ernährt werden, wenn wir uns vegan ernährten. Auch unserer Gesundheit kann eine vegane Ernährung helfen: Eine gesunde und abwechslungsreiche pflanzliche Ernährung kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arteriosklerose, Diabetes sowie viele andere Erkrankungen deutlich senken. Hier ist die Politik gefragt, den Lobbyverbänden den Rücken zu kehren und die bio-vegane Landwirtschaft mit all ihren Vorteilen zu fördern. Zudem muss der Einzelhandel reagieren und verbrauchertäuschende Werbungen und Verpackungen aus den Regalen verbannen und stattdessen das Angebot an gesunden und veganen Produkten erhöhen.