Sevgi Ates ist seit mehr als 20 Jahren Expertin für Erfolgsberatung und Management-Coaching. Sie gibt Tipps zum schnellen, unkonventionellen und nachhaltigen Business-Erfolg, bei dem man sich selbst treu bleibt. Aber was, wenn einen die Erkältungszeit ausbremst?
1. Frau Ates, Sie heben in Unternehmen immer wieder den „Working Spirit“, wie Sie es nennen. Immer mehr Menschen gehen auch krank zur Arbeit. Schaden damit aber am Ende sich selbst und dem Unternehmen. Haben Sie für diese Entwicklung eine Erklärung?
Ich denke, die Gründe sind vielfältig. Wie wir Menschen. Ich selbst gehöre auch zu denen, die sich nicht so schnell vom Arbeiten abhalten lassen. Dann ist das einfach Lust und Freude am Arbeiten, also positiv motiviert. Auch da handeln wir allerdings wider besseren Wissens, denn wirklich produktiv sind wir krank nicht, vielleicht verschleppen wir einen Infekt unnötig oder stecken andere an.
Angst ist ein anderer Motivator, nicht zu Hause zu bleiben, um sich zu erholen. Angst davor, etwas zu verpassen, anderen den Vortritt zu geben bei einem großen Projekt oder einer Kampagne oder einfach nur die Angst, dass es auch ohne einen läuft, dass man gar nicht so sehr gebraucht wird, wie einem lieb wäre.
2. Haben wir vielleicht verlernt, abzuschalten und uns zu erholen?
Definitiv. Eine Krankheit ist immer eine erzwungene Ruhepause. Alleine damit sind heute leider viele bereits überfordert. Sie sind nicht mehr gewohnt, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein. Das ist eine große gesamtgesellschaftliche Baustelle, die auch für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg eine große Rolle spielt.
Und dann ist eine Krankheit auch immer eine Unberechenbarkeit. Für den Beruf vor allem in zwei Phasen: zu Beginn der Karriere und dann wieder, wenn wir älter werden und es langsam Richtung Rente geht. In diesen Phasen ist die Angst besonders groß, dass uns Fehlzeiten aufgrund von Krankheit als Schwäche ausgelegt werden: Als zu schwach für eine steile Karriere oder schon nicht mehr fit genug, um bis zur Rente durchzuhalten. Und je höher die Karrierestufe, desto schlimmer wird es oft. Da wird einem ausreichend Schlaf schon als Schwäche ausgelegt. Wer will das schon?
3. Das heißt, man muss Menschen diese Ängste nehmen, wenn man dauerhaft leistungsfähige Mitarbeiter haben will, die sich auch Erholungsphasen gönnen. Wie geht das?
Wir müssen tatsächlich weg von diesen unhaltbaren Glaubenssätzen, die sich so hartnäckig halten. Fakt ist: Mehr oder zumindest genügend Schlaf macht uns produktiver, genau wie weniger zu arbeiten oder sich auszuruhen, bis man wieder vollständig leistungsfähig ist. Das geht am besten, indem wir wegkommen vom „mehr ist mehr“ und wertschätzen, was gut und menschlich ist. Wir dürfen nicht alle gleich machen, sondern sollten einen Blick dafür haben, dass es Umstände gibt, die bei manchen Mitarbeitern die Infektionsgefahr während der Erkältungszeit erhöhen. Dazu zählen beispielsweise kleine Kinder, die Fahrt zur Arbeit mit der S-Bahn, aber auch enge betriebliche Räume. Vieles habe ich als Arbeitgeber nicht in der Hand, aber manches eben schon.
4. Was können Führungskräfte und Teamleiter konkret tun?
Mit entsprechenden Räumen und Handspendern zur Desinfektion kann ich schon einmal im Arbeitsumfeld präventiv vorgehen und damit gleichzeitig signalisieren, dass Krankheit ein akzeptiertes Thema ist. Das nimmt schon einmal etwas Druck raus.
Wer außerdem ergebnisorientiert führt und Mitarbeiter nicht danach beurteilt, wie viel Zeit sie im Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes totschlagen, ist schon einen ganzen Schritt weiter. Stimmt das Ergebnis am Monatsende, ist es kein Problem, wenn man davor eine Woche ausgefallen ist. Dadurch kann man als Führungskraft dann aber auch die motivierten Mitarbeiter von denen unterscheiden, die eine Krankheit nutzen, um sich Vorteile zu verschaffen.
5. Und wie sieht es mit den Führungskräften selbst aus?
Da sind wir natürlich beim Stichwort „gelebte Kultur“. Schleppt sich der Chef immer selbst krank ins Büro, gehen alle davon aus, dass das von ihnen auch erwartet wird. Führungskräfte sollten daher mit gutem Beispiel voran gehen. Dass das nicht immer ganz leicht ist, wenn man seinen Job gerne macht, weiß ich aus eigener Erfahrung, aber es lohnt sich.