Hermann J Kassel stellt in seiner künstlerischen Arbeit immer wieder die Frage der Eigenverantwortung. So auch mit seinem Beitrag zum Ausstellungsprojekt #zerowasteart.

Herr Kassel, Sie haben für das Projekt #zerowasteart ein Kunstwerk entworfen mit dem Namen „Die Plastik“. Können Sie dazu ein bisschen was erzählen?

Der Werktitel Die Plastik für die #zerowasteart-Ausstellungsreihe spielt zum einen auf das Material Plastik, zum anderen auf die Bezeichnung eines bildhauerischen Werkes, eben eine Plastik an. Setze ich mich mit dem Thema des Plastikmülls auseinander, lande ich geradezu zwangsläufig bei uns Menschen als Verursacher wie letztlich auch, nach Fauna und Flora, als Opfer dieses Wahnsinns. Meine Skulptur zeigt eine, in eine transparente Schrumpfhaube komplett eingeschweißte, sitzende Gestalt. Ganz ähnlich einer klassischen Skulptur, einer Plastik, sitzt dieser Mensch in seinem Plastikkokon da, schauend, denkend, sich vielleicht fragend:

Was tun wir der Erde, was tun wir uns mit diesem Plastikwahnsinn an?

Einzig eine, in der rechten, nach hinten zeigenden Hand gehaltene Plastiktüte reicht aus diesem Plastikkokon heraus. Wird sie diesem Menschen in seinen Plastikkokon hineingeschoben oder versucht er, sich ihrer zu entledigen? Ist er in diesem Plastikkokon gefangen oder geschützt? Ist er Opfer, Täter oder beides gleichermaßen? Er ist die Plastik.

Haben Sie sich in Ihrer Arbeit schon immer mit gesellschaftlichen Themen auseinandergesetzt?

In meiner künstlerischen Arbeit, den Skulpturen, Objekten und Installationen sind Bewegung, Veränderungs- und Transformationsprozesse sowie die Erforschung der Grenzen oder der Trennschicht, also dem, was „das Dazwischen“ ist und seiner Diffusion zentrale Themen.

Seit ca.15 Jahren setze ich mich parallel hierzu in meiner künstlerischen Arbeit intensiver mit gesellschaftlich relevanten Themen und Fragestellungen auseinander. Hier stehen für mich Aspekte der Werte, der Würde und deren Achtung und somit der einzelne Mensch in seiner Eigen-Verantwortung hierfür im Zentrum. Beispielhaft seien hier meine Interventions- und Projektformate “take part in art©, #deineWürde oder das oben erwähnte Ausstellungsprojekt #zerowasteart erwähnt.

Welchen Beitrag meinen Sie, kann die Kunst hier realistisch leisten?

Das ist schwierig zu sagen, geschweige denn, die gesellschaftliche Wirksamkeit eines künstlerischen Beitrags faktisch zu belegen oder zu beziffern. Erreicht und berührt werden kann, egal womit, ohnehin nur ein Mensch, der überhaupt erreicht und berührt werden möchte.

Diese grundsätzliche Bereitschaft und Offenheit vorausgesetzt, bin ich davon überzeugt, dass die Kunst wie die Musik uns auf tieferen Ebenen sehr intensiv und nachhaltig ansprechen und anregen kann. Sie kann in uns intellektuelle wie emotionale Räume weiten und öffnen und Neues in uns wahrnehmen, denken und entstehen lassen. Auch die Möglichkeit der künstlerischen Provokation und Irritation sei hier als wichtiger Beitrag erwähnt. Die Kunst – sei es ein Bild oder ein Musikstück – mit ihren sehr eigenen Ausdrucksmöglichkeiten bewirken eine Resonanz auf und somit eine Relevanz für den einzelnen Menschen.

Ist es Ihrer Meinung nach die Aufgabe der Kunst, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten?

Die Kunst leistet meines Erachtens immer einen gesellschaftlichen Beitrag. Auch die Kunst, die allein dem Schönen, dem Ästhetischem oder dem Formalen folgt, vermag den Einzelnen wie die Gesellschaft zu bereichern. Somit hat Kunst sicher nicht die Aufgabe, einzig Werke zu schaffen, die einen Beitrag auch zu gesellschaftlich relevanten Themen und Debatten unmittelbar oder intervenierend leisten. Aber es ist gut und wichtig, dass es eben auch die Kunst gibt, die mit ihrer Arbeit genau diese Impulse auf ihre höchst eigene, kreative, konstruktiv-irritierende Art und Weise in die Gesellschaft einbringen möchte.