Chris Brügger beschäftigt sich in seinen Büchern, Workshops und Vorträgen mit den Themen Kreativität, Design Thinking, Simplicity und Innovationen und verrät im Interview, wie man seine Produkte und Dienstleistungen kreativ verbessern kann.

Herr Brügger, zur Verbesserung der Qualität einer Leistung oder der Benutzerfreundlichkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung ist oft Kreativität gefragt. Was, wenn wir oder die Mitarbeiter des Unternehmens nicht besonders kreativ sind?

Man muss den kreativen Funken nur zünden! Jeder von uns hat das Potential kreativ zu sein, nur steht man sich oft selbst im Weg. Die eigene Annahme, dass man eben einfach nicht kreativ ist, entwickelt sich so oft zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Gibt man sich und seinen Mitarbeitern Zeit und Raum an einer Fragestellung kreativ zu arbeiten, wird das Interesse geweckt, zum Beispiel mit der Frage „Welche Möglichkeiten gibt es für unsere Kunden das Produkt X upzugraden und Mehrwert zu schaffen?“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich mit ihren eigenen Ideen einbringen und die Motivation nimmt zu. Die kreativen Methoden sind dann nur noch der Katalysator, der den Ideenfluss so richtig ankurbelt. Kreatives Denken lässt sich also durchaus trainieren und ist nicht eine Gabe, die nur einige von uns in die Wiege gelegt kriegen.

Unsere erste Idee ist oft ein Brainstorming. Ist das eine gute Herangehensweise?

Es ist eine Möglichkeit, wenn das Brainstorming gut angeleitet und die Fragestellung klar formuliert ist: Wo suchen wir nach Möglichkeiten, ein Produkt oder eine Dienstleistung upzugraden? Die Fragestellung zum Fokus sollte allen klar sein. Es gibt aber auch noch ganz andere Vorgehensweisen und Methoden, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verbessern.

Können Sie uns drei andere Kreativitätstechniken verraten, mit denen wir auf neue Ideen kommen oder bestehende Produkte und Dienstleistungen upgraden können?

Sehr gerne, besonders sinnvoll, zur Verbesserung von Leistungen finde ich folgende drei Methoden:

Das Brainwriting

Dabei handelt es sich eigentlich, um eine verbesserte Brainstorming-Variante. Der Unterschied besteht darin, dass während eines Brainwritings nicht gesprochen wird. Die Teilnehmenden schreiben ihre Ideen auf, anstatt sie in die Runde zu rufen. Die Technik wird oft auch 6-3-5 genannt. 6 Teilnehmer, 3 Templates und 5 Wechsel der Templates zwischen den Besitzern:

  • Die Problemstellung wird gut sichtbar auf einen Flipchart geschrieben.
  • Jeder bekommt drei Blätter. Auf jedem der Blätter gibt es sechs Felder.
  • Jede Person schreibt in das erste Feld jedes Blattes jeweils eine Idee und reicht die Blätter dann im Uhrzeigersinn der nächsten Person weiter.
  • Diese liest die bereits aufgeschriebenen Ideen, lässt sich davon inspirieren und versucht die Ideen weiterzuentwickeln, beziehungsweise darauf aufzubauen. Dieser Vorgang wird fünf Mal wiederholt bis alle Kästchen auf den Blättern ausgefüllt sind.
  • Die Blätter werden anschließend eingesammelt, gemischt und wieder verteilt. Das Mischen hat den Vorteil, dass danach niemand mehr weiß, wer welche Idee aufgeschrieben hat. Denn oft wird die Qualität einer Idee am Ideengeber oder der Ideengeberin gemessen.
  • Die Blätter werden nun also wieder verteilt und die Teilnehmenden machen eine erste Grobauswahl. Alle schreiben jene Ideen auf Moderationskärtchen, die ihnen am besten gefallen. Jede Person sollte etwa zwei bis fünf Ideen aufschreiben.
  • Diese Ideen werden nun gesammelt und präsentiert.

Die Osborn-Checkliste

Henry Ford sagte einmal: „Nicht mit Erfindungen, sondern mit Verbesserungen macht man ein Vermögen.“ Wie Recht er doch hat. Denn 90 Prozent aller Innovationen, die auf den Markt kommen, sind Verbesserungen von bestehenden Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Die nach Alex Osborn benannte Checkliste eignet sich besonders zur Optimierung bestehender Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse durch das systematische Hinterfragen einer bestehenden Lösung.

Einige der Fragen nach Alex Osborn:

  • Was ist ähnlich oder hat gleiche Funktionen? Welche Parallelen lassen sich ziehen?
  • Gibt es andere Anwendungsmöglichkeiten? Für andere Personen oder Zielgruppen? Oder andere Anwendungsmöglichkeiten durch das Verändern des Objektes?
  • Verändern? Ihm eine neue Form geben? Den Zweck verändern? Die Farbe, den Ton, den Geruch, das Aussehen verändern?
  • Verkleinern? Was ist entbehrlich? Was kann man weglassen? Kann man es kleiner machen? Kompakter? Niedriger? Kürzer? Flacher? In seine Einzelteile zerlegen?
  • Ins Gegenteil umdrehen? Wie kann man das Gegenteil des Gewünschten erreichen? Das untere nach oben bringen? Die Rollen tauschen? Die Position der Personen ändern? Die Reihenfolge des Ablaufs neu ordnen?

Die Kundennutzen-Matrix

Die Kundennutzen-Matrix ist eine systematisch-diskursive Methode, die von Professor Chan Kim und Professorin Renée Mauborgne erstmals unter dem Namen „Buyer Utility Map“ in einer etwas anderen Variante vorgestellt wurde.

Eine Kundennutzen-Matrix wird in zwei Schritten erstellt. Im ersten Schritt stellt man den Prozess aus Kundensicht systematisch dar: Was „erleben“ Kundinnen und Kunden, wenn sie ein Produkt kaufen oder eine Dienstleistung beziehen? Den ganzen Ablauf stellen wir in fünf bis zehn Schritten dar.

Im zweiten Schritt – und hier kommt der kreative Teil – stellt man sich folgende Fragen:

  • Wo könnte ich für Kundinnen und Kunden etwas einfacher machen?
  • In welchem Schritt könnten wir ihnen mehr Nutzen stiften?
  • Wo könnten wir ihre Risiken verkleinern?
  • In welchen Schritten könnte man mehr Spaß und Unterhaltung einbauen?
  • Was würde Kundinnen und Kunden derart begeistern, dass sie ein „Wow“ von sich geben?

Für die einzelnen Schritte sollte man so viele Ideen wie möglich sammeln und ruhig über einen längeren Zeitraum, dann findet man meistens auch mindestens einen Hebel, mit dem man seine Kunden überraschen und begeistern kann.