Alle reden davon, dass die Digitalisierung unserem Wohlstand bald ein Ende setzen wird, wenn wir nichts unternehmen. In der Rankingliste des International Institute for Management Development (IMD) sind die Deutschen innerhalb von fünf Jahren von Platz 6 auf 17 der wettbewerbsfähigsten Länder gefallen. Johannes Ritter zitiert in der FAZ den IMD-Ökonom José Caballero: „Zu den Schwachpunkten zählt die mangelnde Offenheit der Gesellschaft gegenüber neuen Einflüssen und Ideen.“ Da stellen sich die Fragen: Sind wir zu satt geworden? Müssen wir erst einmal alles in den Sand setzen, bevor wir zu wirklichen Veränderungen und neuen Ideen bereit sind?

Vorstellungskraft aktivieren

Das wäre sehr schade, denn wir Menschen haben ein Instrument, das uns auszeichnet: die Imagination oder auch Vorstellungskraft. Schon als wir noch in Höhlen lebten, konnten wir Jagdszenen an die Wand malen, die uns auf künftige Beutezüge einstimmten und mental vorbereiteten. Inzwischen gibt es nach Star Trek und Star Wars unzählige weitere filmische Utopien, die unsere mögliche Zukunft emotionsgeladen projizieren und deren Ideen bereits zum Teil Realität geworden sind – siehe das Smartphone, GPS, Flachbildschirme, Holotechnologie und viele weitere.

Um innovativ zu bleiben, gilt es also, die Vorstellungskraft in Unternehmen zu aktivieren – und zwar weiter als bis zur nächsten Optimierung. Unterstützen können dabei Künstler. Denn Autoren, Filmemacher, Musiker oder Maler haben dazu nicht nur die oben genannten Visionen, sondern jahrtausendelang Strategien und Formen entwickelt, die in etwas münden, das man Inspiration nennt.

Inspiration geben

Inspiration geben heißt, geistige und emotionale Ergriffenheit zu erzeugen, die den Adressaten zu eigener Kreation, also Handlung, motiviert. Viele werden fürchten, dass die Kunst beziehungsweise die Künstler viel zu autonom sind, wenn nicht gar zu selbstverliebt, um Unternehmen dabei helfen zu können, kreativ zu werden, um konkrete Innovationen zu entwickeln, seien es nun Produkte oder soziale Interaktionsformen. Das ist jedoch ein Irrtum, den ich widerlegen kann.

Inspiriert von Beuys „Sozialer Plastik“ zähle ich zu einer neuen Gruppe systemischer Künstler, die daran arbeiten, Mitarbeiter kreativer, selbstbewusster, eigenverantwortlicher und damit ihre Arbeit erfüllender und humaner werden zu lassen – ganz im Sinne der Werte von New Work. Was sehr im Interesse jedes Unternehmens liegt, das seine Mitarbeiter als die Treiber jeglicher Entwicklung sieht und deren Entfaltung fördert.

So können Künstler im Unternehmen wirken

1. Bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen:

Wenn Künstler an der Gestaltung von Arbeitsplätzen beteiligt werden, unterstützen sie im laufenden Dialog mit Impulsen. Daraus entstehen Ideen, die meist sehr nahe an der eigenen Geschichte und der des Unternehmens liegen. Das schafft eine Atmosphäre der Identifikation und Verbundenheit.

2. Beim „Storytelling“ als repräsentativem Transfer von Kunst ins Unternehmen:

Gemeinsam dringen wir anhand von Strategien und Instrumentarien in den Kern einer Unternehmens-Story vor. Analogien aus der gesamten Welt der Erzählungen dienen dabei als Grundlage.

3. Bei Incentives für die innere Verbundenheit

Künstler helfen dem Unternehmen dabei, sich authentisch und stilvoll zu präsentieren und schaffen Erlebnisse, die nach außen erzählt werden und nach innen für Verbundenheit sorgen.

4. Bei der Öffentlichkeitsarbeit

Aufbauend auf der Kunst des Storytelling gehen Unternehmen gemeinsam mit Künstlern einen Schritt weiter als üblich. Zum Beispiel können Werbespots und Social-Media-Kampagnen in Workshops gemeinsam entwickelt und produziert werden. Inzwischen gibt es viele Spots, die von Mitarbeitern aktiv mitgestaltet wurden.

5. Bei Mindfitness und Teambuilding

Die Verbundenheit im Team und Mindfitness bedingen sich gegenseitig. Nicht nur, weil wir soziale Wesen sind. Sondern auch, weil wir gemeinsam eine hohe Grundbereitschaft zu Offenheit erzeugen, die wiederum dazu führt, immer wieder Neues zu lernen und mit den Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt Schritt zu halten. Mindfitness heißt dabei nicht, Konflikte, Widersprüche oder Gegensätze auszuhalten, sondern sie kreativ für sich zu nutzen und auf eine Metaebene zu führen – genau das Kernprinzip der Kunst, die bekanntlich von der Spannung lebt.

Für Führungskräfte heißt das, dass sie zunächst ihre Komfortzone verlassen müssen, um zu einem Aha-Erlebnis zu gelangen. Sie werden dabei aber in einer Qualität und Geschwindigkeit kreativ, die sie von sich selbst so bisher nicht kannten. Dabei unterstützt sie der spielerische Rahmen und der ästhetisierte Prozess, ihre Vorstellungskraft zu entfalten. Am Ende sind sie von sich selbst überrascht, was ein klares Indiz für eine Veränderung der eigenen Denkmuster ist.

 

Ein leicht abgewandelter Auszug aus dem Buch „Faszination New Work: 50 Impulse für die neue Arbeitswelt„.