Authentizität ist schon seit einiger Zeit en vogue. „Sei einfach du selbst!“ heißt es dazu oft, dabei ist es ein echter Balanceakt, auf andere authentisch zu wirken.
Manchmal wollen wir etwas darstellen und uns anders zeigen als wir sind. Dadurch wirken wir angespannt, gekünstelt und aufgesetzt. Das ist vielen Menschen vom Verstand her auch klar – und doch können sie dieses Verhalten, das sie von einer echten Begegnung mit anderen Menschen abhält, nur schwer abstellen. Zu stark ist das Gefühl, dass etwas fehlt, zu groß die Sorge, etwas verstecken zu müssen, zu drängend das Bedürfnis, sich passend machen zu müssen für andere.
Das andere Extrem ist die weit verbreitete Vermutung, dass ich, wenn ich „echt“ bin, immer richtig liege. Stellen Sie sich vor, jemand sagt Ihnen immer ungefiltert, was er gerade denkt und von Ihnen hält. Ich bin sicher „authentisch“ ist nicht das erste Wort, was Ihnen zu dieser Person einfällt.
Die drei Faktoren der Authentizität
Schauen wir uns an, was einen Erwachsenen authentisch macht, können wir fast immer diese drei Eigenschaften erkennen:
- Er ist sich seines Selbst bewusst, das bedeutet, er kennt seine Stärken und seine Schwächen. Er versteht, „warum er morgens aufsteht“, er weiß also um die Motive seines Handelns. Er kennt seine inneren Werte, für die er lebt.
- Er ist ehrlich zu sich in dem Sinne, dass er auch negatives Feedback aushält und sich unbequemen Wahrheiten stellen kann. Er hat keine oder kaum Angst, dadurch abgelehnt zu werden.
- Er sagt, was ihm wichtig ist und handelt danach. Und er tut es auch dann, wenn die Mehrheit anders denkt und handelt. Das Gegenteil davon ist der Opportunist, der nur das tut, was „opportun“, also nützlich ist.
Zusammengefasst heißt das, dass ein Mensch dann authentisch ist, wenn sein Handeln nicht durch äußere Einflüsse bestimmt wird, sondern in der Person selbst begründet liegt. Als wir klein waren, waren wir nicht nur Großmeister in Sachen Ausstrahlung, sondern auch ein Vorbild im Authentisch-Sein. Die Psychologie spricht hier von Kongruenz, das heißt die innere und die äußere Gestimmtheit des Kindes ist deckungsgleich.
Wir können und sollen nicht mehr in diesen ursprünglichen, letztlich unreflektierten Zustand zurück. Wir alle haben vom Baum der Erkenntnis gegessen, dessen Früchte Strategie, Nützlichkeit, Angemessenheit (für die Allgemeinheit) und gesellschaftliche Akzeptanz heißen. Und das ist auch gut so. Es geht jetzt um eine neue Form der Authentizität – auf einer höheren Ebene mit sich im Reinen zu sein. Also nicht, „sei einfach, wer du bist“, sondern ganz nach Goethe: „Werde, wer du bist.“