Ich habe die Zeit in der Krise genutzt, handwerklich neue Dinge zu lernen. Da das Hantieren mit der Motorsäge nicht ungefährlich ist, bin ich dazu in eine Schnittschutzhose gestiegen. Sieht nicht besonders gut aus, aber „safety first“ und niemand kann etwas Neues lernen und dabei gut aussehen.

Wer zum Beispiel eine Fremdsprache lernt, vielleicht Spanisch, spricht am Anfang die Wörter falsch aus oder betont sie nicht richtig und verletzt die grammatikalischen Regeln usw. Wer nicht will, dass andere Menschen die eigenen Fehler mitbekommen, wem es peinlich ist, der wird nur im stillen Kämmerlein für sich Spanisch sprechen – oder im Unterricht. Ein Mensch, der keine Scheu hat, sich dabei zu blamieren, wird fleißig Sprachpraxis sammeln und viel schneller gut sprechen. Was ist jetzt besser?

„Ich darf mir keinen Fehler erlauben!“

Bei einem Herzchirurgen würde ich bei so einer Aussage sicher vehement mit dem Kopf nicken, aber sonst ist sie ziemlicher, entschuldigt, Schwachsinn! Übers blöd aussehen, wenn wir etwas Neues lernen, habe ich ja letzte Woche schon geschrieben, aber wann gehen wir denn tatsächlich hin und lernen noch etwas wirklich Neues?

In der Regel bleiben wir gerne in unserer Wohlfühlzone. Die bleibt den meisten jetzt aber schon seit Wochen versperrt. Wir machen momentan eine Menge Sachen, die wir zum ersten Mal machen. Das macht uns Angst. Mir auch. Wichtig ist, jetzt nicht direkt von der Wohlfühlzone in die Panikzone zu rutschen. Es gibt auch einen Zustand dazwischen: Die Wachstumszone. Wir kennen uns zwar nicht so gut aus und fühlen uns noch unsicher, aber wir können unsere Fähigkeiten und Potenziale nutzen. Fehler machen ist hier allerdings garantiert. Perfektionismus, so wie ich ihn verstehe, beschreibt ja eh nicht etwas Tolles oder gar Großartiges, sondern nur die Abwesenheit von Fehlern.

„Mehr als schiefgehen kann es nicht.“

Für mich ist diese Haltung der Weg vom Perfektionismus hin zu Brillanz, vom einengenden Festhalten hin zur größtmöglichen Entfaltung. Es ist die ultimative Erlaubnis für Durchbrüche. Und selbst Herzchirurgen mussten zumindest am Anfang Risiken eingehen, sonst würde es noch heute keine Herz-OP geben. Ich schließe meine Vorträge immer gern mit einem Gedicht, aber unser aller Zeit ist ja knapp, daher nur ein schönes Zitat:

„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

(Georg Christoph Lichtenberg)