Langfristige Beziehungen basieren zwar auf Fairness. Aber diese Fairness ist nichts anderes als das Empfinden einer konkreten Angst – die Angst davor, alleine gelassen zu werden. Wer fair ist glaubt: Wenn ich mir zu viel nehme, dann werde ich verstoßen. Die anderen machen in diesem Fall keine Geschäfte mehr mit mir. Dieses Gefühl stammt noch aus der Steinzeit. Denn unser Steinzeit-Ich denkt: Ich kann nur in der Gruppe existieren. Ohne die anderen werde ich nicht überleben. Deshalb rauft es sich zusammen, ist gerecht und kein Egoist.
Ungleichheit schafft Ungerechtigkeit
Leider passt diese altruistische Denkweise nicht mehr in unsere heutige Gesellschaft. Denn es gibt Menschen, die können mit ihren Pfründen wuchern und andere sitzen in der Position des Angsthasen. Viele große Firmen und Konzerne springen mit kleineren Partnern unfair um, weil sie es können. Sie sitzen Verhandlungssituationen einfach aus und machen die anderen, die zum Beispiel auf Zahlungen angewiesen sind, platt. Das ist zwar respektlos, aber leider oft gang und gäbe. Und es ist nur ein kleines Beispiel dafür, dass in einer Welt, in der Reichtum sehr ungleich verteilt ist, keine Gerechtigkeit mehr existiert. Deshalb funktioniert der Fairness-Gedanke oft nur bei den Menschen, die von Angst getrieben sind – bei allen, die denken: „Ich muss ja …, sonst bekomme ich nicht …“.
Harte Linie bewirkt Fairness
Auf geschäftliche Verhandlungen bezogen, heißt das, die Situation, in der wir uns befinden, verlangt, dass wir uns vom Angsthasen zum Killer-Kaninchen entwickeln, wenn wir Gerechtigkeit und Fairness im Business wollen. David muss Goliath zeigen, dass auch er Angst haben muss – zum Beispiel vor einer persönlichen Konsequenz. Denn die Angst davor, Geschäfte machen zu müssen, um weiter existieren zu können, hat in der Regel kein Konzern.
Wir sind alle Verhandler
Jeder von uns verhandelt übrigens täglich, ob wir wollen oder nicht, wenn es um all das geht, was wir unbedingt zum Leben brauchen – Wasser und Nahrung. Kaum ein Geschäft ist jedoch so menschenverachtend und ungerecht wie die Lebensmittelindustrie. Denn um günstig zu kaufen, nehmen wir auch in Kauf, dass Tiere leiden. Und damit wir „frisches“, billiges Gemüse und Obst genießen können, leben Menschen im Süden in größter Armut – und das zum Teil sogar EU subventioniert. So lange wir alle Angst davor haben, auf etwas verzichten zu müssen, weil es so teuer wird, dass wir es uns nicht mehr leisten können oder, dass etwas nicht mehr das ganze Jahr über in den Supermärkten liegt, gibt es in diesem Business keine Gerechtigkeit, nur krasse Gewinner und krasse Verlierer. Ich kenne eigentlich niemanden, der die Gegebenheiten, so wie sie sind, gutheißt. Nur am nötigen konsequenten Verhalten fehlt es oft – mir übrigens auch. Ein erster Schritt wäre, den schwarzen Peter nicht nur in der Politik zu suchen, sondern sich zu informieren und täglich im Supermarkt besser zu verhandeln.