Der Abschied von vielen Vorstellungen, zum Beispiel von Erfolg, von dem, was man (als Mann) im Leben alles tun und erreichen sollte, fällt oft schwer und manchmal reicht ein Aha-Erlebnis allein nicht. Darüber zu sprechen, hilft hoffentlich anderen, sich von Vorstellungen zu verabschieden, die ihre Gesundheit ruinieren, im schlimmsten Fall ihr Leben bedrohen.
Für meinen Job war ich ständig unterwegs. So auch kurz vor meiner Diagnose: Herzinfarkt. Dienstagabends hatte ich noch einen Vortrag in Salzburg, bin dort über Nacht geblieben und am Mittwoch dann nach Hause gefahren. Und als ich zu Hause ankam, habe ich gemerkt, ich habe leichte Rückenschmerzen, aber weil ich ein paar Stunden Autogefahren bin, habe ich mir da keine Gedanken gemacht. Wie so oft, wenn es meine Gesundheit betraf.
Wenn wir alle Signale ignorieren
Am Donnerstag bin ich in der Früh dann in den Flieger gestiegen und nach Düsseldorf zu einem Kunden geflogen, der mich für zwei Tage für ein Messe-Coaching gebucht hatte. Die Schmerzen waren immer noch da, sogar etwas stärker als am Vortag, aber mein Gott, so ist das halt. Durchhalten, es wird schon wieder werden. Am zweiten Tag auf der Messe waren die Schmerzen dann auch auf einmal weg, stattdessen aber schwitzte ich, wie ich in meinem Leben noch nie geschwitzt hatte. Als ich zu Hause landete, war plötzlich alles gut. Das Schwitzen und auch die Schmerzen waren weg. Ich dachte mir, Mensch, das ist ja hoch interessant, anscheinend hatte ich nur die bayerische Luft vermisst und musste nur wieder nach Hause. Doch am Samstag wurde ich von den Schmerzen geweckt. Sie waren so stark, dass ich nicht mehr wusste, wie ich sitzen, stehen oder liegen sollte.
Nach dem Besuch bei der Bereitschaftsärztin und einer langen Wartezeit in der Notaufnahme – schließlich war ich ja noch selbst reingelaufen – wurde es auf einmal hektisch, sobald man mich ans EKG angeschlossen hatte. „Sie haben einen akuten Herzinfarkt. Es ist eine Sekunde vor 12, es kann jetzt jede Sekunde der Verschluss kommen, wir müssen Sie sofort in den OP bringen“. Und dann haben die mich mit dem Bett im Laufschritt geschoben, wie in zahlreichen Krankenhausserien.
In der OP, die ich zum Leidwesen des Chirurgen miterlebt habe, denn ich habe nur blöde Sprüche geklopft, bekam ich zwei Stents und dachte, ich könnte jetzt wieder nach Hause. Aber die Einweisung auf die Intensivstation war natürlich sinnvoll, denn dort ist dann auch noch mein Herz stehen geblieben. Aber alles, was ich bisher für wichtig gehalten hatte, kam in den Flashbacks, die ich in diesem Moment hatte, nicht vor. Ich sah nicht mein Auto, mein Haus oder meinen Kontostand, sondern wie ich mit meiner Frau vor dem Traualtar stand. Ich habe Begegnungen mit Menschen gesehen. Das arbeitet bis heute in mir, sodass ich wirklich sage:
Mein Ziel ist, mit Erlebnissen zu sterben, statt mit Träumen
Nachdem die Arbeit in 18 Jahren jegliches Privatvergnügen verdrängt hatte, war es gar nicht so einfach, zu wissen, welche Träume ich hatte, die es in Erlebnisse umzusetzen galt. Ich habe versucht, dem Privaten mehr Raum zu geben. Habe meine Geschichte mit Freunden und auch Kunden und Geschäftspartnern geteilt, die alle super reagierten. Aber dennoch stürzte ich mich viel zu schnell wieder in die Arbeit.
Ziemlich genau ein Jahr nach meinem Herzinfarkt, lag ich in Hamburg in einem Hotelzimmer, hatte auf einmal so ein Druckgefühl in der Brust und dachte: Das ist nicht gut. Ich hatte schon die 112 gewählt, als es doch wieder vorbeiging. Was blieb, war ein Jahr nach meinem Herzinfarkt die Erkenntnis, dass ich tatsächlich nicht so weitermachen sollte wie zuvor, sondern mein Leben wirklich ändern musste. Ich wusste: Ich packe es nicht mehr so viel zu reisen, 200 Nächte pro Jahr im Hotel und aus dem Koffer zu leben. Das geht nicht mehr und das will ich auch nicht mehr.
Umgehend habe ich meine Kunden informiert, dass ich ab Ende des Jahres nicht mehr zur Verfügung stehe. Auf dem Rückflug dann der Gedanke: Wow, ich habe gerade meine Existenz weggeschmissen. Vielleicht hätte ich so eine Entscheidung mit meiner Frau besprechen sollen? Die aber reagierte mit Tränen in den Augen und sagte: „Gott sei Dank!“