Wir treffen alle jeden Tag Hunderte Entscheidungen, die meisten unbewusst, aufgrund von Konditionierung oder aus Gewohnheit. Sind wir gezwungen Entscheidung auf direkte Fragen zu treffen, tun wir uns trotzdem oft schwer damit oder wir stehen schnell vor einer „großen Entscheidung“ und sind überfordert. Genauer betrachtet sind diese „großen Entscheidungen“, ich meine hiermit Entscheidungen, die einschneidende oder radikale Auswirkungen auf das Leben haben und darauf, welchen Weg das Leben nimmt, nur die Summe vieler kleiner, nicht getroffener.
Mut zur Entscheidung
Um Entscheidungen zu treffen, bedarf es stets Mut. In Zeiten der Krise und vermehrter Unsicherheit mehr denn je. Warum Mut? Weil wir oft einen Ausgang unserer Entscheidungen in der Zukunft prognostizieren, der nicht selten mit Angst einhergeht oder anderweitig negativ behaftet ist.
Diese Zukunftsangst speisen wir aus bereits erlebten negativen Erfahrungen. Entscheidungen brauchen also „Zukunftsmut“. Damit meine ich nicht Mut, um ein etwaiges konstruiertes zukünftiges Ereignis ertragen zu können oder eine schicksalhafte Erfahrung zu machen. Es braucht Mut, einer offenen entstehenden Zukunft Raum zu geben – ohne Wertung und ohne Urteil, sich dem auszusetzen, was da ist und dem, was auch immer kommt. Den ersten Schritt in Richtung Zukunftsmut gehen wir also, wenn wir unserer Gegenwart in Dankbarkeit begegnen und auf das schauen, was wir haben.
Entweder oder – das ist hier die Frage
Besonders schwer wird es bei Entweder-oder-Entscheidungen. Sich für eine Sache und somit gegen eine andere entscheiden zu müssen, wurde noch nie einer Aufgabe gerecht. Gerade in der heutigen Zeit ist es sinnvoll, stets mehrere Ausgänge und Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Zusätzlich zu fragen, „wie sähe ein Sowohl-als-auch aus?“, zerrt eine Entscheidung ins Bewusstsein. Eine weitere Frage, die man sich aber immer stellen kann: Gibt es noch eine Möglichkeit, die ich bislang noch nicht gesehen habe? Und wir sollten auch die Frage zulassen: Ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, darüber zu entscheiden oder sollte vorher noch etwas erledigt werden?
Warum Aufstellungen?
In System- und Strukturaufstellungen können wir diesen Entscheidungsprozess erlebbar machen. Wir können dadurch eine Tür zu impliziten Informationen aufstoßen und die gewonnene Erkenntnis in unseren Entscheidungsprozess einfließen lassen – besonders in Situationen mit prekärer Informationslage und großer Tragweite. Die ist bei persönlichen Entscheidungen meist nicht so hoch, betreffen diese ja nur die eigene Person und eventuell das nahe Umfeld. Ein Klassiker: Die Karriereentscheidung. Die wirkt sich nämlich oft auf das Portemonnaie positiv, wegen beispielsweise krasser Mehrarbeit aber auf die Gesundheit und das Familienleben negativ aus. Hierbei hilft uns häufig unsere Intuition, die aber nur dann eine hohe Qualität hat, wenn gleichzeitig auf genug Informationen zurückgegriffen werden kann.
Emotionen nicht vergessen
Wie gestaltet sich das aber, wenn unsere Entscheidung eine weitereichende Tragweite hat, zum Beispiel in großen Unternehmen und Konzernen? Natürlich werden dort solche Entscheidungen in der Regel nicht durch Einzelpersonen getroffen, sondern durch Gremien oder Personengruppen. Und trotzdem lohnt es sich, alle zur Verfügung stehenden Informationen abzurufen, ob explizit, implizit, ob sie die kognitiver Ebene oder die Gefühlsebene betreffen. Denn wie wichtig Emotionen sind und welche Kraft sie entfalten können, erleben wir oft im gesellschaftlichen Kontext, wenn sich Personengruppen bei Entscheidungen nicht abgeholt fühlen und es zu einem oppositionellen Verhalten führt, das sich rational nicht erklären lässt.
Gut „aufgestellt“ für den Corona-Exit
Auch das beobachten wir zurzeit vermehrt. Denn sinkende Infektionszahlen und steigende wirtschaftliche Schäden lassen den Ruf nach einem Ende des Lockdowns immer lauter werden. Aber wie kann so eine Lockdown-Exit-Strategie aussehen? Sie muss vielem gerecht werden, auf kurzfristige Änderungen flexibel reagieren können und sie muss transparent sein, um nicht noch mehr für Unruhe zu sorgen.
Worin sich jedoch alle einig sind: Wir brauchen eine Exit-Strategie für das soziale Leben, für das Bildungswesen und, wollen wir einen „Totalschaden“ der Wirtschaft vermeiden, vor allem für Unternehmer aller Größen und ihre Mitarbeiter. Doch noch immer ist die Informationslage prekär und es ist nahezu unkalkulierbar, wie sich weitere Lockerungen auf die Infektionslage auswirken. Was ist also verantwortungsbewusst und an welcher Stelle ist ein Aufrechterhalten des Lockdowns schädlich, wann aber nötig? Wie implementieren wir wissenschaftliche Erkenntnis und wie wird die große Masse von einem gemeinsamen Handeln überzeugt?
Um diese Fragen zufriedenstellend zu beantworten, kann eine große Aufstellung ein probates Mittel sein, das auch bereits experimentell in diversen Peergruppen eingesetzt wird. So könnte das ablaufen:
3 Schritte zu einer richtigen Entscheidung
Schritt 1: Licht ins Dunkel
Dafür müssen wir vorhandene Informationen abrufen, Implizites sichtbar machen und „verdeckte Gewinne“ der Ist-Situation identifizieren.
Schritt 2: Klarheit
Es ist wichtig, gewonnene Informationen wirken zu lassen, zu schauen, was tatsächlich ist und dabei eine neutrale Position einnehmen.
Schritt 3: Lösung
Mit jeder Lösung gehen wir einen ersten Schritt in die offene Zukunft. Wir dürfen uns also nicht an einem Lösungsweg festbeißen, sondern müssen stets gegenwärtig sein und die emergierende Zukunft im Blick behalten.
Dann klappt’s mit dem Exit und auch der Zukunftsmut der Bevölkerung bleibt dabei nicht auf der Strecke.