„Der spinnt doch! Ich verstehe überhaupt nicht, wie man so handeln kann.“ Wo auch immer wir zusammenleben und -arbeiten, fällen wir Urteile. Meist ohne uns ehrlich darum zu bemühen, auch nur einen Moment durch die Brille des anderen zu schauen, die Perspektive zu wechseln. Die Fähigkeit zum empathischen Umgang miteinander ist bei vielen Menschen untergegangen, verborgen unter Ängsten und Nöten der heutigen Zeit. Studien zeigen, dass die Fähigkeit zur Empathie tatsächlich immer mehr abnimmt. Besonders die jüngeren Generationen scheinen immer weniger in der Lage zu sein, Empathie zu empfinden und empathisch zu handeln.

Dabei kann Empathie, mit Bedacht eingesetzt, in einem kurzen Augenblick jede menschliche Beziehung verändern. Und das ist es oft einfacher, als wir denken. Was wirklich hilft: die eigenen Sinne zu schärfen und den empathischen Blick auf die Welt zu erweitern.

Die nächsten drei Empathie-Booster sind kein ausgeklügeltes Empathie-Training. Es sind erste Vorschläge für die Veränderung der Wahrnehmung durch tägliche kleine Aktionen.

1. Innehalten

Ich muss immer wieder an den Supremes-Song „Stop! In the name of love“ denken, wenn ich mich mal wieder in einer Spirale aus Stress und Hektik befinde, in der ich Scheuklappen trage für die Gefühle und das Befinden der Menschen um mich, und auch meiner eigenen. Denn tatsächlich müssen wir uns zunächst einmal entschieden bremsen, um wieder in einen guten, empathischen Zustand zu kommen und etwas um uns herum wahrzunehmen.

– Um die Spirale bewusst zu unterbrechen, helfen mir folgende Handlungen:

– den Ort im Raum wechseln

– ein Gummiarmband von der einen auf die andere Armseite platzieren

– drei tiefe Atemzüge nehmen

– laut Musik hören

2. Zuhören

Laut Musik hören oder zumindest bewusst, spielt auch beim nächsten Energie-Booster eine Rolle. Denn mit guter Musik können wir wunderbar üben, richtig zuzuhören. Und das ist essenziell für empathisches Verhalten. Wem zugehört wird, der fühlt sich verstanden. Wem zugehört wird, der fühlt sich wertgeschätzt, der kann sich entwickeln. Beim Zuhören müssen wir uns dafür entscheiden, nichts Eigenes zu senden, sondern einfach nur da zu sein und zuzuhören. Außerdem noch toll an der Übung: Wenn ich um die Wirkung von Musik und Musikrichtungen weiß, kann ich sie auch noch gezielt einsetzen, um mich selbst in einen guten Zustand zu bringen.

3. Gefühle aussprechen

Bin ich selbst derjenige, der etwas auf dem Herzen hat, ist es wichtig, von mir und dem zu erzählen, was mich bewegt – ganz persönlich und ja, richtig, damit ganz verletzlich. Gefühle dürfen und wollen direkt benannt werden. Es ist nur wichtig, diese (oft negativen) Gefühle nicht nur zu benennen, sondern gleich darauf zu fragen, wohin die Reise geht, welche Möglichkeiten es nun gibt, mit diesen Gefühlen konstruktiv umzugehen.

Zusatztipp: empathisch schreiben

In Zeiten von WhatsApp und Co. hat das Schreiben eine ganz neue Bedeutung bekommen: Es ersetzt peu à peu den persönlichen Kontakt, und das bleibt nicht ohne Folgen für die Sprache: Wir werden knapp, manchmal unpersönlich, verwenden Abkürzungen und im schlimmsten Fall steht der Empfänger im Regen der Kurznachrichten und ist mit seinen Emotionen allein.

Wechseln Sie bei einer E-Mail mal die Perspektive und fragen Sie sich, was der Empfänger der Mail „am anderen Ende“ braucht. Manchmal ist es tatsächlich nur eine sachliche Information, die kurz und knapp ist, aber oft braucht er von mir auch eine Art Beziehungsangebot. Je nach Persönlichkeit ist der Stil womöglich anders, vielleicht sind auch Emoticons wichtig, um eine Tonalität zu unterstreichen.

Durch diese einfachen Griffe werden Sie achtsamer im Umgang mit anderen Menschen und finden auf wertschätzende Art leichter zueinander.

Buchtipp: Dr. Monika Hein ist Autorin von „Empathie – Ich weiß, was du fühlst“