Viele haben diese Erfahrung in den letzten Wochen schmerzlich gemacht. Die Arbeit im so oft herbeigewünschte Home-Office ist auch kein Ponyschlecken! 93 Zoomkonferenzen, 79 Kücheneinrichtungen, 23 seltsame virtuelle Hintergründe und zwei unfreiwillige Einblicke ins Schlafzimmer später fällt auf: An der Technik der Zusammenarbeit mangelt es in den seltensten Fällen. Klar, manchmal stört der parallele Netflix-Stream des Nachwuchses die Bandbreite und es wird ruckelig. Aber im Großen und Ganzen haben die betroffenen Arbeits- und Führungskräfte es bisher hinbekommen.
Technik gelungen – Motivation tot
Jetzt, da die Technik und das erste Staunen über „Home-Office, geht ja doch“ und der heimliche Gedanke „manche könnten ja auch später einfach im Home-Office bleiben, wäre vielleicht ganz gut für alle“ vorbei gerauscht ist, merken allerdings viele: Das stresst total. Es ist nicht immer ein sooo schönes Arbeiten und die vielen Video-Calls laugen ganz ordentlich aus. Das kann ganz schön auf die Motivation gehen. Aber ja, es gibt ihn, den messbaren Produktivitätsboost, weil viele soziale Ablenkungen wegfallen. Wir sind fokussiert auf unseren Bildschirm und arbeiten ohne Störung, aber eben manchmal auch ohne Unterbrechung. Aber die Kernfragen lauten: Wie funktioniert die Psychologie des Home-Office und warum schafft uns dieses Arbeiten so sehr?
Vorteile oder Nachteile?
Unglücklicherweise sind die vielen Vorteile der modernen Heimarbeit – die Flexibilität, die Chance schnell zwischen Arbeit und Wohnungsangelegenheiten zu switchen, die heimelige Struktur am Küchentisch und der coole Blick in andere Zoom-Wohnzimmer – genau die Gründe, warum wir damit so sehr kämpfen. So klappt es trotzdem:
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Zeit für soziale Interaktion
Wer hätte das gedacht. Uns fehlen die Kollegen für einen echten Chat an der Kaffeebar, die mal mehr oder weniger gelungenen Scherze zu Meeting-Beginn oder auch einmal das ein oder andere Kompliment. WebEx und Teams-Meetings beginnen mit so spannenden Sätzen wie „Könnt ihr mich hören? Irgendwie ruckelt das so. Ich habe ein Echo, kann das mal jemand abschalten? Ok, los geht’s!“. Und das, obwohl wir bereits seit einer Studie aus dem Jahr 2007 ziemlich sicher wissen, dass die Qualität der Interaktion zwischen den Teilnehmern von Online-Meetings sogar Vorhersagen darüber zulässt, wie gut das Meeting läuft. Deshalb ist es so wichtig, dem sozialen Vorgeplänkel Zeit zu geben. Lassen Sie Menschen kurz Menschen sein und miteinander interagieren, sich darüber austauschen, was passiert und was sie bewegt. Dann erst gehen Sie in die Inhalte.
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Mit Kontext Struktur schaffen
Unsere Umgebungen prägen unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln. Versuche der Gedächtnispsychologie mit Tauchern haben gezeigt: Lernen Menschen unter Wasser Vokabeln, fallen ihnen diese später an Land sehr viel schlechter wieder ein, als wenn sie unter Wasser geblieben wären. Sie lernen den Kontext mit. Das gilt auch fürs Büro. Kontext schafft Struktur. Machen Sie also Ihren Heimarbeitsplatz zu einem wirklichen Arbeitsplatz, der möglichst die Struktur und Abläufe Ihres Offices nachempfindet. Klar hat das Grenzen. Aber wie wir Engländer sagen: every little helps. Im einfachsten Fall, wenn Sie zum Beispiel in der Küche arbeiten, sorgen Sie dafür, dass Sie nicht permanent auf die Spüle, den Herd oder den Kühlschrank starren, sondern der Blick nach Möglichkeit aus dem Fenster geht.
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Ein Lunchdate mit uns selbst
Apropos Kühlschrank. Wenn Sie auf die Frage: „Wie lange bist du schon im Home-Office?“ spontan antworten möchten „Ungefähr zwei Kilo“, ist das gar nicht so weit weg von der messbaren Realität. Im Schnitt nehmen Männer im Home-Office tatsächlich bis zu 3.500 Kalorien mehr auf, machen aber weniger Sport, weil der Fußball-, Hockey-, Handball-, Squashverein eben zu hat. Aber neben der reinen Kalorienzunahme und dem Wegfall von Sport gibt es noch etwas zu bedenken: Wenn es keine Verabredung zum Lunch gibt, fällt es zu oft flach. Wir sind versucht, zwischendurch ein Sandwich in uns reinzustopfen und dann direkt weiter zu machen. Ohne die äußere Kontrolle durch die Kollegen brauchen wir so etwas wie ein „Lunchverabredung mit uns selbst“. Diese 45 Minuten wirken Wunder. Eine aktuelle Studie zeigt, dass kaum jemand das tut. Sechzehn Minuten geben wir uns für das Mittagessen am Rechner, die meisten kurioserweise sogar um die gleiche Uhrzeit: 12.43. Und einer von zehn Befragten der Studie aß sogar aus reiner Bequemlichkeit jeden Tag das Gleiche.
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Routinen schaffen und pflegen
Im Office haben wir unsere Abläufe, Gewohnheiten und Routinen. Die haben wir über viele Monate, wenn nicht Jahre so herausgebildet: erst der Gang ins Büro, dann beim Nachbarn reinschauen, dann den Kaffee holen. Zuhause ist das anders: erst mal Kaffee, kein geistesverwandter Kollege zum Schnacken und dann raus mit dem Laptop und sofort loslegen. Die Lösung liegt hier in einem kleinen Blick nach innen. Überlegen Sie kurz, wann Sie am leistungsfähigsten sind und strukturieren Sie den Tag mit den herausforderndsten Aufgaben so gut es irgend geht um diese, Ihre Powerzeit, herum. Planen Sie alles andere für die Zeitpunkte, an denen sie nicht so viel mentale Power haben.