Es wird Herbst. Zeit für düstere Gedanken? Keineswegs, denn neun Monate später gibt es die höchste Geburtenrate des Jahres. Früher haben die Frühlingsgefühle den Storch mit Arbeit versorgt. Inzwischen tun wir es im Herbst besonders häufig. Woran liegt das und was hat das Ganze eigentlich mit der Brunftzeit von Hirschen zu tun?

Evolutionäre Frühlingsgefühle

Dass der Klapperstorch jahrhundertelang besonders eifrig im Frühjahr unterwegs war, verraten uns alte Kirchenbücher. Der Grund: Mutter und Kind hatten dann während der ersten schwierigen Phase immer eine gute Nahrungsmittelversorgung. Es kamen im März fünf bis zehn Prozent mehr Kinder zur Welt als im Jahresdurchschnitt. Der Höhepunkt der Zeugungsaktivität lag also im Juni, in der Zeit der Frühlingsgefühle.

Familien(feier)planung

Seit den 70er Jahren verschiebt sich das Geburtenmaximum immer weiter nach hinten und liegt jetzt zwischen Juli und September. Der Herbst und die Vorweihnachtszeit werden also nicht nur zum Laubfegen und Geschenkekaufen genutzt, sondern auch zum ausgiebigen „Kuscheln“.

Die Wissenschaft hat noch keine sichere Erklärung für dieses Phänomen. Natur und Evolution scheinen aber wohl nicht daran schuld zu sein. Sind es vielleicht die Kindergeburtstage, die wir lieber im Sommer feiern? Hier kann noch geforscht werden.

Zu welcher Jahreszeit sollten wir Kinder bekommen?

Wenn es aber so vorteilhaft ist, Kinder im Frühjahr zu bekommen, warum die Verschiebung und warum werden dann nicht gleich alle Kinder im Frühjahr oder Sommer geboren? Die Entstehungsgeschichte der Menschen beginnt in Ostafrika. Dort gibt es zwar Regen- und Trockenzeiten, die Schwankungen im Nahrungsangebot sind aber lange nicht so groß, wie die Schwankungen in Mitteleuropa. Die Menschen hatten damals, so wie heute, über das ganze Jahr verteilt Sex und haben somit auch über das ganze Jahr Kinder bekommen. Als die Menschen vor 40.000 Jahren aus Afrika in das winterkalte Europa einwanderten, hatten sie schon Feuer und konnten im Winter große Tiere erlegen. Das galt übrigens auch für die schon viel länger in Europa ansässigen Neandertaler.

Wäre eine Brunftzeit die bessere Wahl?

Wie hat das unsere Gesellschaft geprägt? Ein kleines Gedankenexperiment: Wie sähe das Sexualverhalten der Menschheit aus, wenn die Menschen in einer Gegend mit starken Jahreszeitenwechseln entstanden wären, in der Tundra zum Beispiel? Alle Kinder kämen dann tatsächlich im Frühjahr zur Welt und die sexuellen Aktivitäten der Menschen wären – wie bei den Hirschen und den meisten anderen mitteleuropäischen Tieren – auf einige Wochen im Jahr beschränkt.

Im Juni, zur Sommersonnenwende, würden sich die Menschen zu großen Festen treffen. Sie würden essen und trinken, ihre Balzrituale abhalten und sich eifrig paaren. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Männer neun Monate später auf die Strümpfe machen würden, um die Frau zu suchen, mit der sie auf dem Fest mal einen One-Paarungszeit-Stand hatten. Die Mütter würden sich wohl eher gemeinsam mit ihren Brüdern, Müttern und Großmütter um die Kinder kümmern. 

Das Klima und unsere Gesellschaft

Die Monogamie wäre wohl nie entstanden, das heißt, es gäbe keine Liebesromane. Weil die sexuelle Aktivität nur auf wenige Tage beschränkt wäre, vermutlich auch keine Pornografie und ob sich unter diesen Bedingungen ein Patriarchat hätte herausbilden können, ist auch recht unwahrscheinlich.

So hat das Wetter an unserem afrikanischen Entstehungsort doch sehr viel dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft und wir so sind, wie wir sind.