Mehr Spielräume, Freiheit, Kooperation, Selbstbestimmung, das sind die Heilsversprechen der amtierenden Hypes wie Agilität und New Work. Viel wird fabuliert über den vermeintlichen Widerstand der Mitarbeitenden gegen die Veränderung, ihre angeblichen Sorgen und Nöte. Den Führungskräften wird kommentarlos unterstellt, dass sie alle ins gelobte Land der Selbstorganisation, Demokratie und Hierarchielosigkeit streben. Ist das so? Ich habe meine Zweifel. Denn ein Thema wird für und mit Führungskräften nicht thematisiert, ja geradezu tabuisiert: die Angst.
Sie selbst sollen die Strukturen aufbrechen, die ihnen Sicherheit und Komfort bieten. Denken heute Mitarbeitende über ihre Führungskraft „der Chef/die Chefin ist doof“, dann ist das schade. Mehr aber vermutlich nicht, denn er oder sie ist gesetzt.
Statt um die Arbeit geht es plötzlich um Beziehungen
Das soll sich nun ändern. Und das katapultiert sie in die Unsicherheit, denn ihr Platz im sozialen System wird nicht mehr ausnahmslos qua Position entschieden, sie müssen ihn sich erarbeiten und zwar fortlaufend. Die eigene Persönlichkeit liegt dann für alle sichtbar in der Waagschale. Bisher lag die Konzentration vor allem auf der Arbeit, jetzt geht es um die Beziehungen zueinander. Das ist ungewohnt, unheimlich, angstmachend.
„Vom Ressourcenverwalter zum Teamplayer und Systemgestalter“ ist eine enorme Anforderung, zumal unsere aktuellen Bildungs- und Denksysteme noch immer auf Reduktionismus basieren. Wo heute in tradierten Strukturen die Führungskräfte hochgradig angepasst agieren, sollen sie auf einmal in die Autonomie gehen und von kreiselkompassgesteuertem Agieren auf selbstreflektiertes Gestalten umstellen.
Der Held ist tot: Führung im Wandel
Das, wofür es heute noch Anerkennung gibt, findet morgen nicht mehr statt. Der Karriereweg von heute ist morgen nicht mehr existent. Die Position und Rolle, die heute noch ein Teil der eigenen Identität ausmacht, fällt morgen weg. Wer jetzt noch behauptet, dass dafür kleine Seminaren zu „sei authentisch“ oder „Führen in der digitalen Zeit“ ausreichen, unterschätzt, was Gruppendynamiken bewirken, wie anstrengend der notwendige Diskurs sein kann und wie viel Sicherheit eigentlich in der Anpassung steckt. Was tun, wenn diese Sicherheit wegfällt?
Ein erster Schritt ist, die Angst aus der Tabuzone zu holen und sie den Führungskräften zu erlauben, ja geradezu von ihnen zu fordern. Denn wer in Zeiten des Paradigmenwechsels keinerlei Ängste und Sorgen in sich trägt, der verweilt gedanklich eventuell immer noch im alten Bild vom Heldentum der Führung. Und das führt die Idee von Arbeit 4.0 ad absurdum.