Wir Menschen sind sehr auf Gewohnheiten programmiert. Da ist es kein Wunder, dass wir uns in der momentanen Zeit, aber auch in anderen Krisen, nach einem „normalen“ Leben zurücksehnen. Eltern wünschen sich Kinder wieder in der Schule oder Kita, Kinder wären selbst froh, wenn sie mal wieder richtig raus kämen – selbst wenn das bedeutet, wieder in die Schule zu gehen. Und alle Homeoffice-Geschädigten, so gerne sie vor Corona auch mal zuhause arbeiten wollten, wünschen sich inzwischen die Arbeitsstruktur des Büros zurück, die Gespräche mit Kollegen und selbst öde Meetings würden doch eine tolle Abwechslung bieten.

Deshalb saugen wir jede Nachricht, jede Botschaft auf, die uns ein schnelles zurück in dieses „Normal“ verspricht: Das Wundermedikament, die Impfung; oder das Virus verschwindet einfach von selbst – und Tschüss, Corona!

BRIAN für mehr Resilienz

So einfach ist aber leider nicht. Einfache Antworten sind leider selten richtig. Ich habe mit dem BRIAN-Model für mich und mein Unternehmen eine Leitplanke für Krisensituationen gefunden, die für viele Betriebe, aber auch Soloselbständige hilfreich sein könnte.

Warum BRIAN? Ein bisschen hat es auf jeden Fall auch mit Monthy Pythons Motto: Always look on the bright side of life aus „Das Leben des Brian“ zu tun. Der eingängige Name dient aber vor allem als Eselsbrücke für die Punkte im System, die wir für unsere unternehmerische Resilienz genauer betrachten müssen.

  • B-Brutal Facts – was sind die brutalen und harten Fakten der Situation?
  • R-Ressourcen – welche Ressourcen, Methoden, Kenntnisse habe ich zur Verfügung?
  • I-Improvisieren – wie kann ich die Situation zunächst stabilisieren?
  • A-Adaptieren – welche Anpassungsmechanismen stehen mir zur Verfügung?
  • N-Normalisieren – zurück zu einem neuen Normal

Zu B: Viele schummeln leider bei der Betrachtung ihrer Situation. Zum einen, weil keiner zugeben möchte, dass die Zeiten hart sind und zum anderen, weil die genaue Betrachtung der Situation wortwörtlich brutal sein kann. Fakt ist, dass Unternehmen, die zurzeit nicht auch digital arbeiten können, umdenken müssen und sich neue Lösungen einfallen lassen müssen. Das bringt mich …

Zu R: Es ist nicht so leicht, einfach mal so Remote-Arbeiten in einem Unternehmen einzuführen. Das ist ganz klar. Selbst, wenn jeder einen firmeneigenen Laptop mit ins Home-Office nehmen kann, heißt das noch lange nicht, dass jeder auch mit dem neuen Arbeiten umgehen kann. Eventuell müssen neue Kommunikationswege etabliert werden, die einigen nicht so technisch affinen Mitarbeitern Schwierigkeiten bereiten. Vielleicht fehlt aber auch bisher ganz die digitale Infrastruktur, um das Alltagsgeschäft von Zuhause aus weiterzuführen. Das bringt mich …

Zu I: Wer improvisieren kann, ist in Krisenzeiten klar im Vorteil – keine Frage. Das kann aber natürlich kein Dauerzustand sein. Die Kunst der Improvisation sollte jetzt dafür eingesetzt werden, Situationen zu stabilisieren. Ein Vorteil der Krise: Wir machen mit Sicherheit Fehler, auf die wir sonst nie gekommen wären. Damit sammeln wir wichtige Erfahrungen, die wir im „normalen“ Arbeitsalltag nie gemacht hätten. Vielleicht stellen wir fest, dass es uns an Datensicherheit mangelt, vielleicht müssen ganz neue Hierarchie- und Arbeitsstrukturen neu gedacht werden. Eventuell ist es auch einfach nur die Disziplin, die Menschen, die oft wortwörtlich am Küchentisch arbeiten müssen, neu lernen müssen. Das bringt mich …

Zu A: Wir kommen einfach nicht drum rum, uns an die neue Situation anzupassen. Das kann eine sinnvoll gestaltete Arbeitsecke in der heimischen Wohnung sein, aber auch ein verändertes Meeting-Verhalten oder gar die Umstrukturierung ganzer Abteilungen. Oder neue Produkte und Dienstleistungen. Wenn wir das über klare Managementsysteme definieren, bringt das Resilienz für die nächste Krise. Denn die kommt bestimmt. Das bringt mich …

Zu N: Was gestern noch normal war, ist heute alt. Die Krise zwingt uns in eine Geschwindigkeit, die wir so wahrscheinlich noch nicht am Start hatten. Und die oft schmerzhafte, aber auch große Erkenntnis: Vieles geht, wenn wir müssen. Ganz besonders dann, wenn unsere Existenz davon abhängt. Es führt kein Weg dran vorbei. Wir brauchen ein neues Normal und das müssen wir jetzt definieren.

Das neue Normal?

Für viele von uns klingt normal zunächst komisch, oder? Vielleicht. Aber betrachten wir es mal aus folgender Perspektive: Normal bedeutet heute nicht mehr zurück zu einem vergangenen „Früher“, sondern das aktive Gestalten einer neuen Normalität. Das heißt doch, dass wir nachdem wir die brutalen, nackten Fakten analysiert, die Ressourcen sortiert und uns provisorisch eingerichtet haben, unser neues Normal selbst gestalten können.

Gewohnheitstier mit Anpassungsstärke

Für manche mag es angesichts von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und drohender Insolvenzen höhnisch klingen, ein neues Normal aufzubauen. Ich wünsche wirklich niemandem, dass dieses „Normal“ jetzt bedeutet, auf dem Amt um Unterstützungsleistung zu bitten. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns klar machen: Wir Menschen sind zwar auf Gewohnheiten programmiert, weil wir Energie sparen wollen. Aber wir sind mindestens im gleichen Maße anpassungsfähig.

Nehmen wir also an, dass sich für mich und mein Unternehmen zurzeit zwangsläufig durch Corona einiges ändert, entsteht daraus viel Freiheit und Energie, um kreative Lösungen zu entwickeln. Dafür müssen wir aber unbedingt die Schritte „BRIA“ vor dem „N“ gehen. Denn für „N“ gibt es keine pauschalen, einfachen Antworten. Besonders die brutale Fakten- und kritische Ressourcen-Analyse wird uns Kraft kosten. Danach können wir aber mit Zukunftsmut und erhobenem Haupt auf ein neues Normal zusteuern.